Christel Mayer - 30 Jul 2021

Privatinsolvenz: Auswirkungen auf die Altersversorgung

  • Neue Pfändungsfreigrenzen seit 01.07.2021

  • Abgeschlossene Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens können grundsätzlich auch danach fortgeführt werden

  • Private Vorsorgeverträge müssen pfändungssicher gestaltet werden

Seit Beginn des Jahres haben die Privatinsolvenzen in Deutschland deutlich angezogen – Tendenz steigend. In diesem Zusammenhang stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit auch betriebliche Versorgungsanwartschaften und fällige Betriebsrenten von einer Privatinsolvenz betroffen sind. Die nachfolgenden Ausführungen geben einen kurzen Einblick in den Abwicklungsprozess und die Konsequenzen des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

Prinzip & Prozess im Privatinsolvenzverfahren

Die Privatinsolvenz ist ein vereinfachtes Insolvenzverfahren zur Abwicklung der Insolvenz (Zahlungsunfähigkeit) einer Privatperson, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Es soll den Gläubigern eines zahlungsunfähigen Schuldners zur forderungsanteiligen Befriedigung verhelfen. Das Verfahren durchläuft die folgenden Schritte:

  • Außergerichtlicher Einigungsversuch
    Der Schuldner erstellt mit Hilfe eines Schuldnerberaters oder Rechtsanwaltes einen realistischen Plan, ob und wie die Rückzahlungen bedient werden können. Stimmen nicht alle Gläubiger zu, scheitert der außergerichtliche Einigungsversuch. Die erfolglose Durchführung eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs ist Voraussetzung für ein Privatinsolvenzverfahren.

  • Einreichung des Insolvenzantrages
    Mit einer anerkannten Bescheinigung (z.B. von einem Rechtsanwalt oder einer kommunalen Schuldnerberatungsstelle) über den gescheiterten Einigungsversuch kann der Schuldner beim Insolvenzgericht ein Verbraucherinsolvenzverfahren beantragen. Das Gericht kann einen Schuldenbereinigungsplan aufstellen oder im Falle der Aussichtlosigkeit das vereinfachte Insolvenzverfahren durchführen.

  • Vereinfachtes Insolvenzverfahren
    Innerhalb der ersten Jahre wird das pfändbare Vermögen von einem Treuhänder verwertet und nach Abzug der Verfahrenskosten an die Gläubiger ausgekehrt. Für den Schuldner sind die sogenannten Pfändungsfreigrenzen zu beachten. Bestehen nach Abschluss des Verfahrens noch weitere Verbindlichkeiten, kann eine Restschuldbefreiung beantragt werden. Diese erfolgt in der Regel sechs Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Voraussetzung: Der Schuldner muss in dieser Phase sein Wohlverhalten unter Beweis gestellt haben.

Pfändungsgrenzen und Freibeträge

Nicht alle Vermögenswerte und Einkünfte des Schuldners können im Insolvenzverfahren gepfändet werden. Hier beispielhaft einige Ausnahmen:

  • Arbeitseinkommen (Stand 07/2021)
    Damit der Schuldner sich und seine Familie weiterhin unterhalten kann, ist sein Arbeitseinkommen nur bedingt pfändbar. Die Grenze ergibt sich aus § 850c ZPO. Seit 01.07.2021 beträgt der unpfändbare Grundbetrag 1.252,64 Euro monatlich und erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind, um monatlich 471,44 Euro für die erste und um jeweils weitere 262,65 Euro für die zweite bis fünfte Person. Verdient der Schuldner mehr als den so ermittelten pfändungsfreien Betrag, verbleibt ihm vom Mehrbetrag ebenfalls ein bestimmter Anteil bis zum maximal pfändungsfreien Betrag von (Stand 07/2021) 3.840,08 Euro monatlich (vgl. Pfändungsfreigrenzen-Tabellen).

  • Betriebliche Altersversorgung (bAV)
    Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden

    • Einrichtung einer Entgeltumwandlung vor Beantragung des Insolvenzverfahrens
      Wandelt der Arbeitnehmer (ArbN) Arbeitsentgelt bereits vor Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens in eine Anwartschaft auf bAV um, wird im Insolvenzverfahren i.d.R. nur das durch die Entgeltumwandlung reduzierte Gehalt berücksichtigt, zumindest im Rahmen der Dotierungsgrenzen des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG (4 % der BBG für Westdeutschland). Die Entgeltumwandlung (EUW) kann somit auch in der Privatinsolvenz fortgeführt werden. Vorsicht: Wird die EUW-Vereinbarung zeitnah vor der Beantragung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen oder eine bestehende Vereinbarung erhöht, besteht die Gefahr, dass die getroffene Vereinbarung vom Insolvenzverwalter nicht akzeptiert wird. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter in der Anwartschaftsphase keine Zugriffsmöglichkeit.
      Die durch die Entgeltumwandlung erworbenen Ansprüche fallen zwar in die Insolvenzmasse des Versorgungsberechtigten. Der Insolvenzverwalter kann auf diese jedoch nur dann zugreifen, wenn die Leistungen während des Insolvenzverfahrens bereits fällig sind oder fällig werden. In diesem Fall sind ggf. noch zusätzliche Pfändungsschutzvorschriften zu beachten. In der Regel muss dem Versorgungsberechtigten ein bestimmter pfändungsfreier Betrag verbleiben.

    • Einrichtung einer Entgeltumwandlung nach Beantragung des Insolvenzverfahrens
      Ist das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, kann das Gericht durch Beschluss Sicherungsmaßnahmen treffen, um eine Vermögensminderung des ArbN zu Lasten seiner Gläubiger zu vermeiden. Hierzu kann auch die Vereinbarung einer Entgeltumwandlung zählen. Im Rahmen des nicht pfändbaren Teils des Einkommens ist eine EUW-Vereinbarung weiterhin zulässig. Ist das Insolvenzverfahren bereits eröffnet, muss der Insolvenzverwalter einer EUW-Vereinbarung oberhalb des pfändbaren Betrags zustimmen. Befindet sich der ArbN im Restschuldbefreiungsverfahren, wird das pfändbare Arbeitseinkommen an einen Treuhänder abgetreten, damit das pfändbare Einkommen nicht durch EUW vermindert werden kann. Hinsichtlich des nicht pfändbaren Arbeitseinkommens bleibt eine Entgeltumwandlungsvereinbarung auch hier weiter möglich.

    • Arbeitgeberfinanzierte bAV in der Privatinsolvenz
      Eine ArbG-finanzierte bAV hat im Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf das pfändbare Arbeitseinkommen. Eine ArbG-finanzierte bAV ist auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und während des Restschuldbefreiungsverfahrens möglich. Vorsicht: Umgehende Lohngestaltungsmodelle sind kritisch und gefährden die Restschuldbefreiung.

      Der Zugriff auf ArbG-finanzierte Leistungen durch den Insolvenzverwalter oder Treuhänder besteht nur, wenn die Leistungen während des Insolvenzverfahrens bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens fällig sind oder fällig werden.

    • Schutz der bAV-Anwartschaften gilt nur für Anwartschaftsphase
      Nach § 2 Abs. 2 Satz 4 BetrAVG ist die sog. Verfügungssperre zu beachten. Die Verfügungsverbote nach § 2 Abs. 2 Satz 4-7 BetrAVG beziehen sich nur auf den Schutz der Versorgungsanwartschaft und nicht auf die hieraus resultierenden, künftigen Versorgungsleistungen. Zudem gilt das Verfügungsverbot nur für den betrieblich finanzierten Teil, nicht also für den Teil der Anwartschaft, der durch den aus dem Betrieb ausgeschiedenen ArbN im Wege der privaten Fortführung finanziert wurde. Dies gilt entsprechend für eine Pfändbarkeit künftiger Leistungsansprüche aus einer bAV. Laufende Versorgungsleistungen sind ebenso wie Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO pfändbar, allerdings nur, insoweit diese den Pfändungsfreibetrag übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 20.05.2020 – IV ZR 124/19).

  • Private Altersvorsorge
    Abhängig vom Lebensalter kann ab dem 18. Lebensjahr ein jährlich steigender Betrag pfändungssicher angesammelt werden. Dieser beträgt z. Zt. maximal 256.000 Euro im Alter 67 Jahre, § 851c Abs. 2 ZPO. Um den Nachweis der Vorsorge zu erfüllen, müssen zwingend insbesondere folgende Bedingungen erfüllt sein:

    • Das Altersvorsorgeprodukt muss eine lebenslange Leistung garantieren.

    • Auszahlung der Rente darf nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur im Fall einer Berufsunfähigkeit erfolgen.

    • Eine Todesfall-Kapitalleistung ist nur an Hinterbliebene möglich.

    • Über Ansprüche aus dem Vertrag darf nicht vorzeitig verfügt werden (Sperrklausel)
      Achtung: Private Altersvorsorgeverträge müssen rechtzeitig in Absprache mit dem Risikoträger pfändungssicher gemacht werden. Die Beantragung beim Versicherungsunternehmen sollte mindestens drei Monate vor Stellung des Insolvenzantrages erfolgen.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Gestaltung Ihrer betrieblichen Altersversorgung.

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