Marco Westermann - 30 Mai 2021

Was Sie (vielleicht) schon immer über die Bilanzierung der bAV wissen wollten - Ein Blick in die Handelsbilanz

  • Versorgungszusagen stellen aus Sicht des Unternehmens „Schulden“ gegenüber den Begünstigten dar

  • Schulden und damit auch Versorgungszusagen sind handelsbilanziell auszuweisen

  • Handelsrechtliche Vorschriften unterscheiden sich stark von steuerrechtlichen Vorgaben

Die Erteilung einer Zusage auf betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein arbeitsrechtlicher Akt, mit dem sich der Arbeitgeber verpflichtet, bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen zu einem definierten Zeitpunkt, Versorgungsleistungen zu erbringen. 

Der Zweck der Handelsbilanz besteht darin, den Geschäftserfolg des Unternehmens festzustellen und dem externen Betrachter der Bilanz (z.B. Investoren, Kreditgebern, Geschäftspartnern) einen realistischen Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verschaffen.

Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) verlangen für den Jahresabschluss eines Unternehmens (§ 243 HGB), dass dieser grundsätzlich sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge beinhaltet (§ 246 HGB).

Daher besteht eine Passivierungspflicht (Rückstellungsgebot) für Pensionsverpflichtungen und vergleichbar langfristige Verpflichtungen (§ 249 Abs. 1 S. 1 HGB). Eine Ausnahme bildet das Ansatzwahlrecht für Altzusagen (Zusageerteilung vor dem 01.01.1987) und mittelbare Pensionsverpflichtungen (Art. 28 Abs. 1 EGHGB). Um mittelbare Zusagen handelt es sich, wenn der Arbeitgeber eine Direktversicherung, einen Pensionskassenvertrag oder einen Pensionsfondsvertrag für die Versorgungsberechtigten abschließt oder der Arbeitgeber die Versorgung über eine Unterstützungskasse abwickelt.

Damit sind Pensionsrückstellungen regelmäßig für Versorgungszusagen zu bilden, für die der Arbeitgeber unmittelbar einstehen muss (Direktzusagen, Pensionszusagen).

Die Auflösung der handelsrechtlichen Pensionsrückstellung ist nur zulässig, wenn der Grund für die Rückstellungsbildung entfallen ist (§ 249 Abs. 2 S. 2 HGB). Dies gilt unabhängig davon, ob die Rückstellung aufgrund des Ansatzgebotes oder Ansatzwahrechtes gebildet wurde.

Ein eventuell vorhandenes Deckungsvermögen wird mit der Pensionsrückstellung verrechnet. Deckungsvermögen liegt vor, wenn Vermögensgegenstände ausschließlich der Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen (Zweckexklusivität) dienen und dem Zugriff aller übrigen Gläubiger des Unternehmens entzogen sind (z.B. durch Verpfändung an den Versorgungsberechtigten oder durch Treuhandmodelle).

Die Bewertung der Pensionsrückstellung erfolgt mit dem Erfüllungsbetrag (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB). Dies impliziert, dass Trendannahmen in die Bewertung einfließen müssen, auch wenn sie zum Bilanzstichtag nicht eindeutig oder unwiderruflich feststehen. Trendannahmen müssen auf begründeten Erwartungen und hinreichend objektiven Hinweisen beruhen. Sämtliche Trendannahmen, die die Höhe des Erfüllungsbetrags beeinflussen, sind zu berücksichtigen, d.h. insbesondere

  • Lohn-, Gehalts- und Rententrends

  • Anwartschaftstrends (Bausteinmodelle)

  • Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme einer Rentenoption

  • voraussichtliches tatsächliches Rentenbeginnalter

  • anzurechnende Versorgungsleistungen Dritter

  • Karrieretrend

  • Verbesserung der Lebenserwartung

  • Fluktuationswahrscheinlichkeit

Die Abzinsung der Pensionsrückstellung hat mit dem der Restlaufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen zehn Geschäftsjahre zu erfolgen (§ 253 Abs. 2 S. 1 HGB). Es gibt eine Vereinfachungsregelung für Pensionsrückstellungen: Für Pensionsrückstellungen darf pauschal eine Restlaufzeit von 15 Jahren angesetzt werden (§ 253 Abs. 2 S. 2 HGB). Die Ermittlung und Bekanntgabe der Zinssätze erfolgt durch die Deutsche Bundesbank gemäß einer gesonderten Rechtsverordnung (§253 Abs. 2 Satz 4,5 HGB; RückAbzinsV; im Internet unter www.bundesbank.de). Der Abzinsungssatz gemäß Vereinfachungsregelung betrug zum 31.12.2021 2,30%.

Die seit Langem andauernde Niedrigzinsphase wirkt sich auch auf die handelsbilanziellen Pensionsrückstellungen aus, weil der beschriebene Bewertungszins in den vergangenen Jahren stark gesunken ist und noch weiter sinken wird. Ein niedrigerer Zins bewirkt erhöhte Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen und damit eine Ergebnisbelastung der Unternehmen und ggf. schlechtere Bilanzkennzahlen. Zur Vermeidung dieser Folgen aus der sogenannten Zinsschmelze haben sich in den vergangenen Jahren viele Unternehmen mit der Neuordnung, Ausfinanzierung oder Auslagerung ihrer Pensionszusagen befasst. 

Anders als für die Steuerbilanz ist das Berechnungsverfahren für den handelsrechtlichen Erfüllungsbetrag nicht explizit gesetzlich vorgegeben. Es muss den GoB entsprechen und die sogenannten anerkannten Regelungen der Versicherungsmathematik berücksichtigen. Das heißt in der Praxis, dass laufende Rentenverpflichtungen und unverfallbare Anwartschaften mit ihrem Barwert zu bewerten sind. Bei Aktiven muss die Mittelansammlung (Rückstellungsaufbau) grundsätzlich über die Aktivitätszeit und periodengerecht erfolgen.

Im Ergebnis muss das Berechnungsverfahren zu einer betriebswirtschaftlich angemessenen Darstellung der Belastung des Bilanzierenden führen, d.h. der Pensionsaufwand muss gemäß der bestehenden Pensionszusage verursachungsgerecht über den Zeitraum verteilt werden, in dem der Versorgungsberechtigte seine Gegenleistung erbringt.

Die gängigsten Bewertungsverfahren sind das Anwartschaftsbarwertverfahren (Projected-Unit-Credit-Methode, kurz PUC-Methode) und (modifizierte) Teilwertverfahren. In der steuerlichen Bilanzierung ist die Anwendung des sogenannten Teilwertverfahrens nach § 6a EStG zwingend vorgeschrieben. 

Eine Ausnahme zur Bewertung mit dem Erfüllungsbetrag stellt die Bewertung von wertpapiergebundenen Pensionszusagen dar (§ 253 Abs. 1 S. 3 HGB). Dabei erfolgt die Bewertung der Pensionsrückstellung mit dem beizulegenden Zeitwert der Wertpapiere, soweit dieser den garantierten Mindestbetrag der Pensionszusage übersteigt. Auch Pensionszusagen, deren Höhe sich ausschließlich nach dem beizulegenden Zeitwert eines Rückdeckungsversicherungsanspruchs bestimmt, sind bilanziell wie wertpapiergebundene Pensionszusagen zu behandeln. Dies gilt auch für leistungskongruent rückgedeckte Pensionszusagen (IDW HFA 30 Rn. 71 ff). 

Erfüllen die Wertpapiere bzw. die Rückdeckungsversicherung die Anforderungen an Deckungsvermögen, werden sie mit der Pensionsrückstellung saldiert. Durch die Saldierung mit gleichen Wertansätzen entfällt der Ausweis der Pensionszusage in der Bilanz dann vollständig. 

Im Anhang zur Bilanz sind ggf. weitere Angaben zur bAV im Unternehmen zu machen, wie zum Beispiel zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, etwaigen Fehlbeträgen bei der Nicht-Passivierung von Verpflichtungen, der Verrechnung von Pensionsrückstellungen mit Deckungsvermögen, der Unterschiedsbetrag zur Ermittlung der Ausschüttungssperre u.s.w..

Sie haben Fragen zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen? Unsere versicherungsmathematischen Sachverständigen stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Lassen Sie sich zum Beispiel mit einer Langzeitanalyse die Auswirkungen der Zinsschmelze für Ihre Pensionsverpflichtungen projizieren.

Weitere Informationen finden Sie in unserem "Ratgeber Pensionsgutachten".

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