BAG Urteil vom 09.10.2012 -3 AZR 539/10-
Gleichlauf zwischen der Betriebsrente und der gesetzlichen Rente ist entscheidend
Bei gewolltem Gleichlauf besteht Leistungsanspruch auch bei nur teilweiser Erwerbsminderung
Anderes gilt bei Gesamtversorgungssystemen mit Anrechnung
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Betriebsrente im Versorgungsfall „Berufsunfähigkeit“ auch dann zu gewähren sei, wenn der Mitarbeiter teilweise erwerbsgemindert im Sinne der aktuellen Vorschriften des Sozialgesetzbuches VI (SGB VI) sei. Voraussetzung hierfür sei aber, dass die Versorgungsregelung einen Gleichlauf zwischen der Betriebsrente und der gesetzlichen Rente vorsehe.
Das Argument, der in der Versorgungsordnung genannte Versorgungsfall „Berufsunfähigkeit“ existiere nach der Änderung des SGB VI (von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit auf teilweise bzw. volle Erwerbsminderung) nicht mehr, greift nach Ansicht des BAG hierbei nicht durch. Entscheidend seien vielmehr der Wortlaut und der Willen der Betriebsparteien. Vorliegend hätten die Parteien die damaligen Begrifflichkeiten des Sozialversicherungsrechts der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit übernommen. Außerdem verlange die Versorgungsordnung für den Bezug der Betriebsrente, dass die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei und eine entsprechende Rentenzahlung aus der gesetzlichen Sozialversicherung erfolge. Dieses bedeute eine dynamische Verweisung auf die jeweiligen sozialversicherungsrechtlichen Begrifflichkeiten. Eine statische Verweisung auf die damaligen Begrifflichkeiten sei dagegen die Ausnahme und hätte deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen.
Auch das Argument, die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung unterscheide sich in Voraussetzungen und Inhalt wesentlich von der bisherigen Rente wegen Berufsunfähigkeit, greift aus Sicht des BAG nicht durch (etwas anderes würde allerdings gelten, wenn es sich um ein Gesamtversorgungssystem mit Anrechung einer gesetzlichen Versorgungsleistung handelt). Zweck der Betriebsrente sei es hier, die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängig von deren Höhe zu erhöhen. Diesem Zweck widerspräche es, wenn der Betreffende zwar die gesetzliche Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, jedoch keine betriebliche Invalidenrente erhalte.
Für die vertriebliche Praxis kann es Sinn machen, über eine Klarstellung des in der Versorgungsregelung bislang verwendeten Begriffs der „Berufsunfähigkeit“ und der Anforderung an dessen Nachweis für bestehende Versorgungszusagen nachzudenken.