Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):
Die Parteien streiten über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente.
Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin wurde seitens der beklagten ehemaligen Arbeitgeberin eine betriebliche Hinterbliebenenversorgung zugesagt. Voraussetzung für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente war u.a., dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen sein muss (Spätehenklausel). Darüber hinaus war geregelt, dass die Ehe am 01.12. vor dem jeweiligen Todestag des Versorgungsberechtigten mindestens ein Jahr bestanden hat (Mindestehedauerklausel). Die Ehe wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Ehemannes geschlossen. Ca. 8 ½ Monate danach verstarb er.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Auszahlung der Hinterbliebenenrente.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Spätehenklausel sowie die Mindestehedauerklausel seien unwirksam.
Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Begrenzung des finanziellen Risikos einer Hinterbliebenenversorgung. Die Klauseln seien daher wirksam.
Die Klage wurde erstinstanzlich abgewiesen (Arbeitsgericht München, Urteil v. 13.07.2021 – 18 Ca 304/21). Das Landesarbeitsgericht München gab der Berufung der Klägerin statt (Urteil v. 22.12.2022 – 2 Sa 564/21). Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidung:
Das BAG entschied, dass die Klägerin einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat.
Die Spätehenklausel stelle eine gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßende Diskriminierung wegen des Alters dar, die sachlich nicht gerechtfertigt und daher unwirksam sei. Nach Ansicht des BAG ist die Altersgrenze nicht angemessen, da sie an die Vollendung eines Zeitpunkts anknüpft, der keine typische Zäsur im Arbeitsverhältnis darstellt (vgl. BAG, Urteil v. 19.02.2019 – 3 AZR 215/18). Bereits mit Urteil vom 04.08.2015 (3 AZR 137/13) hatte das BAG entschieden, dass die zugesagte Hinterbliebenenversorgung Teil einer umfassenden Versorgungsregelung ist. Hierdurch sollen die Mitarbeiter in der Sorge um die finanzielle Lage ihrer Hinterbliebenen entlastet werden. Für das Versorgungsinteresse sei es jedoch unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Ehe geschlossen wurde. Es existiere kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass die Versorgungsberechtigten, die die Ehe erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres schließen, ein geringeres Interesse an der Versorgung ihres hinterbliebenen Ehegatten haben. Eine Regelung, wonach eine Hinterbliebenenversorgung nur dann gewährt wird, wenn der Mitarbeiter die Ehe vor Vollendung seines 60. Lebensjahres geschlossen hat, sei daher unwirksam.
Auch die Mindestehedauerklausel, die eine Mindestehedauer von mehr als einem Jahr vorsieht, ist nach Ansicht des BAG unwirksam, da sie den Versorgungsberechtigten unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 BGB. Der Arbeitgeber habe zwar ein Interesse daran, sein finanzielles Risiko durch die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung zu begrenzen. Die Ehedauer gehöre aber zur privaten Lebensführung. Der Versorgungsberechtigte habe ein rechtlich geschütztes Interesse daran, seinen Ehepartner finanziell zu versorgen. Laut BAG dient die Zeitspanne auch nicht dem Zweck, Versorgungsehen auszuschließen. Der Gesetzgeber habe dafür gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI eine Dauer von einem Jahr für erforderlich gehalten. Nach Ansicht des BAG ist daher eine Mindestehedauer von einem Jahr gerade noch als angemessen anzusehen (BAG, Urteil v. 02.12.2021 – 3 AZR 254/21). Vorliegend könne es – abhängig von der Eheschließung – praktisch aber zu einer Mindestehedauer von knapp zwei Jahren kommen. Die Klausel sehe auch nicht die Möglichkeit vor, die Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen. Auch deshalb benachteilige sie den Versorgungsberechtigten unangemessen.
Hinweis:
Das BAG führt seine Rechtsprechung zu Einschränkungen bei der Hinterbliebenenversorgung fort.
Spätehenklauseln:
Das BAG hat bereits mehrfach entschieden (Urteil v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11 bzw. Urteil v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16 bzw. Urteil v. 22.01.2019 – 3 AZR 560/17), dass eine Versorgungsregelung, die eine Hinterbliebenenversorgung versagt, wenn die Ehe erst nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, zulässig ist. Ebenfalls zulässig sind Klauseln, wonach die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls bzw. vor Vollendung der in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze geschlossen sein muss. Der Arbeitgeber darf seine Risiken auf die während des Arbeitsverhältnisses entstandenen begrenzen.
Mindestehedauerklauseln:
Regelungen in Versorgungszusagen, die für den Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung eine Mindestdauer der Ehe voraussetzen, sind laut BAG in Anlehnung an § 46 Abs. 2a SGB VI dann zulässig, wenn diese ein Jahr nicht überschreiten. Damit sollen Versorgungsehen ausgeschlossen werden. Dies gilt zumindest für Klauseln, die als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen sind (BAG, Urteil v. 19.02.2019 – 3 AZR 150/18 zur Unwirksamkeit einer 10-jährigen Mindestehedauerklausel). Da AGB-Recht gem. § 310 Abs. 4 BGB auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge nicht anwendbar ist, kann es bei darin enthaltenen einschränkenden Regelungen aber möglicherweise zu einer anderen Bewertung kommen.
Altersabstandsklauseln:
Die im vorliegenden Fall bestehende Regelung sah darüber hinaus eine Kürzung der Rente ab einem Altersunterschied der Ehegatten von mind. 10 Jahren vor. Im konkreten Fall musste nicht über die Wirksamkeit der Klausel entschieden werden. Das BAG hatte mit Urteil vom 20.02.2018 (3 AZR 43/17) aber bereits entschieden, dass eine Regelung, wonach der Ehegatte von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen ist, wenn er 15 Jahre jünger ist als der versorgungsberechtigte Mitarbeiter, zulässig ist. Einem solchen Altersabstand sei es typischerweise immanent, dass der jüngere Ehepartner einen größeren Zeitabschnitt seines Lebens ohne die an die Einkommenssituation des versorgungsberechtigten Mitarbeiters gekoppelten Versorgungsmöglichkeiten erleben wird. Der Arbeitgeber dürfe sein finanzielles Risiko mit einer solchen Regelung begrenzen.
Wenig überraschend entschied das BAG daraufhin mit Urteil vom 16.10.2018 (3 AZR 520/17), dass eine Altersabstandsklausel, die einer Witwe 5 % Hinterbliebenenrente pro Jahr, das sie mehr als 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann ist, kürzt, wirksam ist.
Weiterer Themenschwerpunkt der Entscheidung:
Im vorliegenden Urteil ging es außerdem um die Frage, ob leitende Angestellte, deren bAV sich nach einer im Arbeitsvertrag in Bezug genommenen Gesamtzusage richtet, von einer späteren, die Gesamtzusage ablösenden Betriebsvereinbarung erfasst sind. Für eine rein statische Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss geltende Versorgungsordnung erblickte der Senat zwar keine Anhaltspunkte. Allerdings sei bei einem leitenden Angestellten eine Bezugnahme i.d.R. nicht dahin zu verstehen, dass davon auch erst zu einem späteren Zeitpunkt geschlossene Betriebsvereinbarungen erfasst sind. Leitende Angestellte werden mangels Vertretungsbefugnis des Betriebsrats nicht von einer Betriebsvereinbarung erfasst. Nach zutreffender Auffassung des Senats bedarf eine weiterreichende Bezugnahme besonderer Anhaltspunkte bzw. einer ausreichenden Klarstellung.