Die Parteien streiten darüber, ob der ehemalige Arbeitgeber (= Kläger) berechtigt ist, anstelle einer laufenden Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu erbringen.
Der Kläger erteilte der beklagten ehemaligen Arbeitnehmerin eine Versorgungszusage im Durchführungsweg der Unterstützungskasse. Für diese Zusage galten die Regelungen des Leistungsplans der Unterstützungskasse. Diese sahen vor, dass der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, statt einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe der zehnfachen Jahresrente zu leisten.
Von dieser Option machte der Arbeitgeber zum Rentenbeginn im April 2021 Gebrauch. Der Wert der Kapitalleistung lag dabei unter dem versicherungsmathematischen Barwert der monatlichen Altersrente. Die Beklagte überwies den Betrag in der Folge an ihren ehemaligen Arbeitgeber zurück.
Der Kläger ist der Ansicht, dass durch die Zahlung des Kapitalbetrags der Anspruch aus der Zusage erfüllt sei. Die Beklagte hingegen vertritt die Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Altersrente habe.
In den Vorinstanzen blieb die Klage des ehemaligen Arbeitgebers erfolglos (zuletzt LAG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2022 – 12 Sa 1068/21).
Bei der Regelung im Leistungsplan handele es sich um AGB nach § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, da diese für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sei und in einer Vielzahl von Fällen Anwendung finde. Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist diese Regelung nach Ansicht des BAG jedoch unwirksam, da sie mangels Wertgleichheit der Kapitalleistung zur monatlichen Rente für die Rentnerin unzumutbar ist.
Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist eine Regelung über die Änderung oder Abweichung von der versprochenen Leistung nur dann wirksam, wenn dies unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Versorgungsberechtigten zumutbar ist. Die Regelung im Leistungsplan verleihe dem Kläger das Recht, die vertraglich vereinbarte Zahlung monatlicher Altersrenten nachträglich durch die Zahlung einer einmaligen Kapitalleistung zu ersetzen. Die durch die Ersetzung der laufenden Altersrenten zu zahlende Kapitalleistung bleibe aber hinter dem Barwert der zugesagten Altersrente zurück. Das bedeutet nach Ansicht des BAG für die Rentnerin, dass diese nicht eine andere gleichwertige Leistung, sondern eine andere geringerwertigere Leistung erhalten soll. Eine solche Regelung, die eine Ersetzung durch eine nicht mindestens wertgleiche Kapitalleistung vorsieht, ist nach Ansicht des BAG für den Versorgungsberechtigten unzumutbar und daher unwirksam. Ein Interesse des Arbeitgebers, außer dem Interesse an einer Reduzierung der von ihm zugesagten Versorgungsleistungen, das dem Interesse der Rentnerin am Erhalt des Wertes der ihr zugesagten Versorgungsleistungen gleichwertig sei oder dieses überwiegen könne, sei nicht ersichtlich.
Im Themenkomplex „Kapital versus Rente“ hat das BAG eine sicherlich richtige Entscheidung zur Ersetzungsbefugnis getroffen. Allerdings sind andere Fragen weiterhin offen, so z.B. wie das BAG entschieden hätte, wenn statt einer Ersetzungsbefugnis eine echte Wahlschuld der Unterstützungskasse vereinbart gewesen wäre (z.B. in folgender Form: „Die Unterstützungskasse zahlt Ihnen nach Wahl der Kasse entweder eine laufende Rente oder eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe der zehnfachen Jahresrente“).
Ebenfalls nicht entschieden wurde, ob die vorbehaltene Ersetzungsbefugnis zulässig gewesen wäre, wenn die Kapitalabfindung anhand des tatsächlichen Barwerts zu berechnen gewesen wäre. An dieser Stelle stellt sich die vom BAG schon in anderem Zusammenhang diskutierte Frage, ob auch bei rechnerischer Gleichwertigkeit von laufender Rente und einmaliger Kapitalleistung der durch die laufende Rente bewirkte lebenslange Schutz für den Mitarbeiter nicht höherwertig ist. Bereits 2012 hatte das BAG entschieden, dass die Ersetzung einer Rentenanwartschaft durch eine Anwartschaft auf eine Kapitalleistung in einer – eine andere Betriebsvereinbarung ablösenden – Betriebsvereinbarung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit einer eigenständigen Rechtfertigung bedarf (BAG, Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10). Diese Grundsätze erfordern eine Abwägung der beiderseitigen Interessen. Eine einmalige Kapitalleistung habe nicht dieselbe Wertigkeit wie laufende Rentenleistungen, auch wenn im Grundsatz laufende Rentenzahlungen und einmalige Kapitalleistungen nach dem Betriebsrentengesetz gleichwertige Formen der betrieblichen Altersversorgung seien. Nach Ansicht des BAG können die Interessen des Arbeitgebers, sich von seiner Verpflichtung zu lösen, das Langlebigkeitsrisiko auf den Arbeitnehmer zu verlagern und Verwaltungsaufwand und Kosten zu sparen, sowie die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG zu vermeiden unter Umständen die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen. Habe der Arbeitgeber in der Neuregelung beispielsweise eine Kapitalleistung zugesagt, die den nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Barwert der bisher geschuldeten lebenslangen Rentenleistung übersteigt, so könne dies unter Umständen die Nachteile, die der Arbeitnehmer in Folge dieser Umstellung auf eine Kapitalleistung erleidet (Verlagerung des Langlebigkeitsrisiko, Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 BetrAVG entfällt, evtl. höhere Steuerlast, anderer Pfändungsschutz) aufwiegen.
Zu unterscheiden ist eine Regelung, wonach der Arbeitgeber bzw. der Versorgungsträger die Möglichkeit hat, statt einer lebenslangen Altersrente eine einmalige Kapitalzahlung zu leisten, in jedem Fall von einem einseitigen Wahlrecht des Arbeitnehmers zwischen lebenslanger Altersrente und (einmaliger) Kapitalleistung. Denn in letzterem Fall trifft der Versorgungsberechtigte selbst die Entscheidung, ob er eine lebenslange Altersrente oder eine – evtl. nicht wertgleiche – Kapitalleistung in Anspruch nimmt. Bei fehlender Wertgleichheit wird sich allerdings die Frage nach Informationspflichten des Arbeitgebers stellen.
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