Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):
Die Parteien streiten über die Höhe der insolvenzgeschützten Versorgungsanwartschaften des Klägers.
Dem Kläger wurden seitens seines Arbeitgebers betriebliche Versorgungsleistungen zugesagt. Später wurde das Arbeitsverhältnis von einem neuen Arbeitgeber übernommen. Der neue Arbeitgeber übernahm die bestehende – bereits gesetzlich unverfallbare – Versorgungszusage dabei unverändert gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Einige Monate nach der Übernahme wurde sowohl über das Vermögen des übertragenden als auch des übernehmenden Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet. Dem Kläger wurde daraufhin vom beklagten PSV unter Berufung auf § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG mitgeteilt, dass er nur den Teil der Zusage übernimmt, der dem Wert der zum Übertragungszeitpunkt maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (BBG) entspricht, nicht aber den darüberhinausgehenden Teil.
Mit seiner Klage macht der Kläger die Sicherung der Versorgungsanwartschaften in voller Höhe geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG komme nicht zur Anwendung, weil durch die Übernahme der Zusage weder eine neue Zusage erteilt noch die bestehende Zusage verbessert worden sei. Die bestehende Versorgungszusage sei lediglich fortgeführt worden. Die Übernahme der Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG sei – anders als die Übertragung nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG – nicht von § 7 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 BetrAVG erfasst. Jedenfalls die Insolvenz beider Arbeitgeber schließe die Anwendung dieser Vorschrift aus.
Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage zunächst statt (Urteil vom 21.06.2023 – 9 Ca 657/23). Die Berufung des Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht Köln hatte Erfolg; die Klage wurde abgewiesen (Urteil vom 24.04.2024 – 5 Sa 457/23). Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Entscheidung:
Das BAG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Sicherung der Versorgungsanwartschaften in voller Höhe hat.
Nach § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG besteht ein Anspruch auf Leistungen gegen den PSV bei Zusagen oder deren Verbesserungen, die in den letzten 2 Jahren vor Eintritt der Insolvenz erteilt worden sind, nur bis zu dem Wert, der der zum Übertragungszeitpunkt maßgeblichen BBG entspricht. Bei der Schuldübernahme gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG durch den neuen Arbeitgeber handele es sich um eine solche Zusage bzw. Verbesserung der Zusage. Auch die 2-Jahres-Frist seit Eintritt des Sicherungsfalls sei noch nicht abgelaufen.
Laut BAG handelt es sich bei einem vertraglichen Schuldnerwechsel um eine Zusage nach § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG. Zwar erfasse der Wortlaut des § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht eindeutig den Fall der bloßen Schuldübernahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG. Allerdings beziehe sich § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG auf „für im Rahmen von Übertragungen gegebene Zusagen“. Die Überschrift von § 4 BetrAVG laute „Übertragung“. Damit falle auch die Übernahme i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG unter den Fall des § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG.
Jede Übertragung einer Versorgungszusage führe zu einem Schuldnerwechsel und damit zu einer neuen Zusage. Im Rahmen des Schuldnerwechsels müsse das Insolvenzrisiko aber weiterhin nach Sinn und Zweck der Vorschrift für den PSV kalkulierbar bleiben. Beim alten Arbeitgeber hätte der Insolvenzschutz zwar in voller Höhe fortbestanden. Darauf dürfe aber nicht abgestellt werden. Laut BAG folgt der Anspruch aus § 7 Abs. 1 BetrAVG allein dem Anspruch gegen den insolventen Vertragsarbeitgeber. Billigkeitserwägungen haben laut BAG insofern beim Insolvenzschutz durch den PSV keinen Raum, da ihm anderenfalls keine sichere Planung seiner Risiken möglich wäre. Es komme allein auf den Austausch des Schuldners an.
Es genüge insoweit ausschließlich die zeitliche Nähe zum Eintritt der Insolvenz. Die Begriffe „Zusage“ und „Verbesserung“ seien zum Schutz des PSV und zur Vermeidung von Missbrauch weit zu verstehen (BAG, Urteil vom 21.07.2020 – 3 AZR 142/16), insb. ein Nachweis des konkreten Missbrauchs bzw. einer Missbrauchsabsicht solle dem PSV aus Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsgründen erspart bleiben (vgl. BT-Drs. 7/2843 S. 9).
Auch der Umstand, dass die Übernahme im Konzern erfolgt sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Arbeitgeberwechsel im Konzern sei gerade der typische Fall i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG, da regelmäßig nur hier die Übernahme einer bestehenden Zusage in Betracht komme.
Auch der Gesetzgeber geht laut BAG in Fällen der Übernahme i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG von einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 BetrAVG aus, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drs. 15/2150 S. 54). Im Rahmen der Portabilität müsse sichergestellt sein, dass der übertragene Wert beim neuen Arbeitgeber von Anfang an insolvenzgeschützt ist. Darum soll die Zwei-Jahres-Schutzfrist zugunsten des PSV in diesen Fällen und insoweit grundsätzlich keine Anwendung finden (BT-Drs. 15/2150 S. 54). Um das Risiko des PSV und der ihn finanzierenden Arbeitgeber kalkulierbar zu halten, wurde seine Einstandspflicht aber gerade auf die Höhe des Übertragungsbetrags begrenzt, auf dessen Mitnahme der Arbeitnehmer ein Recht habe. Ein darüberhinausgehender Wert könne innerhalb der ersten zwei Jahre vertraglich insolvenzgeschützt werden (BT-Drs. 15/2150 S. 54).
Hinweis:
Im Rahmen jeder Übertragung von Versorgungsanwartschaften muss demzufolge der Wert der Anwartschaft ermittelt werden. Überschreitet dieser Wert den Wert der BBG, sollte der höhere Betrag in den ersten zwei Jahren vertraglich insolvenzgeschützt werden, um den Versorgungsberechtigten umfassend zu schützen.
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