Übergang zur nachgelagerten Besteuerung ist verfassungsgemäß
Es darf jedoch zu keiner Doppelbesteuerung kommen
Günstige Ertragsanteilbesteuerung privater Rentenversicherungen wurde bestätigt
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in zwei Urteilen vom 31. Mai 2021 (X R 20/19 und X R 33/19) zur möglichen Doppelbesteuerung von Altersrenten aus der sogenannten Basisversorgung geäußert. Bei der Basisversorgung (oder auch Schicht 1-Versorgung) handelt es sich um die Gesetzliche Rentenversicherung, die landwirtschaftliche Alterskasse, berufsständische Versorgungseinrichtungen und um sogenannte Basisrentenversicherungen („Rürup-Rente“). Der BFH hat zur Überprüfung einer möglichen Doppelbesteuerung erstmals ein konkretes Berechnungsschema entwickelt. Zudem bestätigt der BFH die Besteuerung privater Rentenversicherungen mit dem Ertragsanteil (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst bb EStG).
Der BFH bestätigt zunächst den im Jahre 2005 vom Gesetzgeber mit dem Alterseinkünftegesetz vorgenommenen schrittweisen Übergang zur nachgelagerten Besteuerung als grundsätzlich verfassungsgemäß. Der Bundesfinanzhof betont jedoch unter Aufgriff der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass es bei der Rentenbesteuerung in keinem Fall zu einer doppelten Besteuerung von Beiträgen und Leistungen kommen dürfe. Um dies für den konkreten Einzelfall überprüfen zu können, hat der BFH erstmals ein Berechnungsschema entwickelt.
Eine Doppelbesteuerung wird demnach vermieden, wenn die Summe der voraussichtlich steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus dem bereits versteuerten Einkommen aufgebrachten Rentenversicherungsbeiträge. Die dabei notwendige Prognose der (Rest-) Lebenserwartung hat auf der Grundlage aktueller Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes zu erfolgen (also nicht unter Anwendung z.B. der in der bAV üblichen „Heubeck-Richttafeln“) und auch die Lebenserwartung eines etwaig länger lebenden Ehegatten zu berücksichtigen.
Strittig war insbesondere die Ermittlung der steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse. Laut BFH sind hierbei lediglich der Rentenfreibetrag (aufgrund der Kohortenbesteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst aa EStG) und der steuerfreie Teil einer evtl. Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen. Der Ansicht des dem Verfahren beigetretenden BMF, dass auch der Grundfreibetrag, die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, sowie der Werbungskosten- und Sonderausgabenpauschbetrag zu berücksichtigen seien, widersprach der BFH.
Gleichwohl kam der BFH auf Grundlage des Berechnungsschemas in beiden Verfahren zu dem Ergebnis, dass sich in den konkreten Fällen keine Doppelbesteuerung ergibt. Ungeachtet dessen wies der BFH aber deutlich darauf hin, dass spätere Rentnerjahrgänge von einer doppelten Besteuerung ihrer Renten betroffen sein dürften. Ursache hierfür sei insbesondere auch, dass der für jeden neuen Rentnerjahrgang geltende Rentenfreibetrag mit jedem Jahr kleiner wird. Der Rentenfreibetrag dürfte künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren. Entsprechend bekräftigten die Richter die Forderung des BVerfG, dass es beim Übergang zur nachgelagerten Besteuerung in keinem Fall zu einer Doppelbesteuerung kommen dürfe – eine „Bagatellgrenze“ dürfte demnach ausgeschlossen sein. Von einer künftigen Doppelbesteuerung betroffen könnten insbesondere sein
Ledige Kinderlose, da an sie keine Hinterbliebenenbezüge ausbezahlt werden
Männer, weil sie eine geringere statistische Lebenserwartung haben als Frauen
Frühere Selbständige, weil für sie kein steuerfreier Arbeitgeberanteil eingezahlt wird
Künftige Rentnerjahrgänge, weil der Rentenfreibetrag mit jedem Renteneintrittsjahrgang geringer und ein immer höherer Anteil der Steuer unterworfen wird.
Die vom BFH aufgestellten Grundsätze zur Doppelbesteuerung von Renten gelten für die gesamte erste Schicht und damit auch für Basisrentenverträge.
Vom Bundesfinanzminister wurde bereits angekündigt, dass sich der Gesetzgeber diesem Doppelbesteuerungsproblem (in der nächsten Legislaturperiode) annehmen wird.
In seinem zweiten Urteil X R 20/19 hatte der BFH zusätzlich zu der Frage der Doppelbesteuerung von Renten aus der ersten Schicht u. a. auch die Frage einer möglichen Doppelbesteuerung bei Renten aus privaten Rentenversicherungen (dritte Schicht) zu klären. Hier stellt der BFH sehr deutlich fest, dass eine Doppelbesteuerung bei privaten Rentenversicherungen schon systematisch ausscheidet. Die Ertragsanteilsbesteuerung basiere auf dem Grundsatz, dass der Rentenanspruch vollständig durch Beiträge aus dem versteuerten Einkommen erworben wurde. Eine Vergleichsrechnung wie in der ersten Schicht sei somit entbehrlich.
Auch die mit der Ertragsanteilsbesteuerung einhergehende pauschalierte Besteuerung des in der Auszahlungsphase entstehenden Zinsertrags sei laut BFH nicht zu beanstanden. Die Höhe der gesetzlich festgelegten Ertragsanteile und damit auch des diesen zugrundeliegenden Rechnungszinses von 3 % sei für das Streitjahr 2009 realitätsgerecht ausgestaltet.
Der BFH bestätigt zudem seine bisherige Rechtsprechung und betont, dass Überschussbeteiligungen Bestandteil der Leibrente sind und deshalb ebenfalls mit dem maßgeblichen Ertragsanteil der Rente einheitlich zu versteuern sind.
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