Paradigmenwechsel in der betrieblichen Altersversorgung
Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) tritt zum 01. Januar 2018 in Kraft
Gesetzgeber betritt mit reiner Beitragszusage Neuland in der deutschen bAV
BRSG sieht darüber hinaus weitere weitreichende Änderungen vor
Nachdem der Deutsche Bundestag am 1. Juni 2017 den „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze“, kurz Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG), in zweiter und dritter Lesung verabschiedet hatte, hat am 7. Juli 2017 auch der Bundesrat dem Gesetz zugestimmt. Das Gesetz kann damit wie vorgesehen am 1. Januar 2018 in Kraft treten.
Die Bundesregierung versucht mit dem BRSG unter anderem ihr schon im Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2013 selbst gestecktes Ziel, die betriebliche Altersversorgung auch in klein- und mittelständischen Betreiben zu verbreiten, zu erreichen.
Mit dem BRSG betritt der Gesetzgeber Neuland in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in Deutschland. Erstmals wird es gesetzlich flankiert möglich sein, sogenannte reine Beitragszusagen zu erteilen. Diesen Beitragszusagen liegt der Gedanke des „pay and forget“ zugrunde. Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber mit der vereinbarungsgemäßen Zahlung eines Beitrags an einen externen Versorgungsträger von jeglicher weiteren Haftung aus der bAV befreit sein soll. Bei dem externen Versorgungsträger kann es sich um einen Lebensversicherer (im Durchführungsweg Direktversicherung), eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds handeln. Während bei den gegenwärtig nach dem Betriebsrentengesetz existierenden Zusagearten Leistungszusage, beitragsorientierte Leistungszusage und Beitragszusage mit Mindestleistung der Arbeitgeber auch bei Durchführung der bAV über einen externen Versorgungsträger stets für die versprochene (Mindest-)leistung haftet, entfällt diese Haftung künftig mit der Beitragszusage. Bei der Beitragszusage wird weder vom Arbeitgeber eine Versorgungsleistung garantiert noch darf sie vom Versorgungsträger garantiert werden.
Die Bundesregierung erhofft sich, durch die Haftungsbefreiung des Arbeitgebers ein Hemmnis abzubauen, das nach ihrer Ansicht bisher einer hinreichenden Verbreitung der bAV insbesondere in klein- und mittelständischen Betrieben im Wege stand. Ob dies allerdings durch die Beitragszusage gelingen wird, darf zumindest hinterfragt werden. Denn Voraussetzung für die Einführung einer Beitragszusage ist ein entsprechender Tarifvertrag. Die Tarifvertragsparteien müssen sich auch an der Durchführung und Steuerung der Beitragszusage beteiligen. Das Problem dabei ist, dass insbesondere unter den klein- und mittelständischen Unternehmen nur wenige tarifgebunden sind: nur 15% aller Unternehmen sind tarifgebunden; bei den Unternehmen mit weniger als 9 Mitarbeiten haben 89% keinen Tarifvertrag (Quelle: Destatis 2016).
Zwar können auch nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien die Anwendung der Regelungen eines für sie einschlägigen Tarifvertrages vereinbaren, doch in welchem Maße von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden wird, bleibt abzuwarten.
Neben der Einführung der reinen Beitragszusage in das deutsche Betriebsrentenrecht beinhaltet das BRSG weitere wichtige Änderungen, die nachfolgend kurz dargestellt sind:
- Optionssysteme: Tarifvertragsparteien können sogenannte Optionssysteme zur automatischen Entgeltumwandlung auch für schon bestehende Arbeitsverhältnisse vereinbaren. Das Optionssystem muss im Tarifvertrag oder auf Grundlage eines entsprechenden Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt werden.
- Der Arbeitgeber ist bei Entgeltumwandlungsvereinbarungen in den externen Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds zu einem Arbeitgeberzuschuss in einen der genannten externen Durchführungswege verpflichtet (pauschal 15 Prozent des Entgeltumwandlungsbetrages), soweit eine Sozialversicherungsersparnis erzielt wird (gilt im Sozialpartnermodell ab 01.01.2018, für neue Entgeltumwandlungsvereinbarungen außerhalb des Sozialpartnermodells ab dem 01.01.2019 und für bereits bestehende Vereinbarungen ab dem 01.01.2022). Diese Regelung gilt nicht für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Pensionszusage und Unterstützungskasse. Zudem ist die Regelung tarifdispositiv.
- Neu geschaffen wurde die Möglichkeit der steuerfreien Übertragung einer Rückdeckungsversicherung auf den Versicherten im Insolvenzfall des Arbeitgebers, sofern die Versorgungszusage auf Leistungen aus einer Rückdeckungsversicherung verweist (§ 8 Abs. 3 BetrAVG). Das Wahlrecht hat der Versicherte; es ist innerhalb von 6 Monaten nach Information durch den PSVaG auszuüben. Die Leistungspflicht des PSV entfällt mit Ausübung des Wahlrechts. Es besteht das Recht zur privaten Fortführung der Versicherung mit eigenen Beiträgen des Versicherten. Die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung auf den Versicherten ist für diesen steuerfrei (§ 3 Nr. 65 d EStG). Die Besteuerung der fälligen Leistungen erfolgt gem. § 22 Nr. 5 EStG (nicht mehr § 19 EStG).
- Mit einer gesetzlichen Klarstellung heilt der Gesetzgeber auch das Risiko der Anpassungsprüfungspflicht bei Direktversicherungs- und vor allem Pensionskassenzusagen. Die Anpassungsprüfungspflicht entfällt auch für Anpassungsprüfungszeiträume vor dem 01.01.2016, sofern sämtliche Überschüsse zur Leistungsverbesserung verwendet worden sind, §§ 16 Abs. 3 Nr. 2, 30c Abs. 1a BetrAVG
- Der steuerfreie Dotierungsrahmen gem. § 3 Nr. 63 EStG wird auf 8 % der BBG West in der Deutschen Rentenversicherung (Renten-BBG West) erhöht. Pauschalbesteuerte Beträge nach § 40b EStG a.F. sind hierauf anzurechnen. Der pauschale Erhöhungsbetrag von 1.800 EUR p.a. nach § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG a.F. entfällt.
- Die Sozialversicherungsfreiheit der Beiträge zu den externen Durchführungswegen bleibt auf 4 % der Renten-BBG begrenzt.
- Vereinfachung der Vervielfältigungsregelung gem. § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG n.F. aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Die steuerfreie Dotierung beträgt ab dem 01.01.2018 4 % der Renten-BBG West multipliziert mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis bestand, max. 10 Kalenderjahre.
- Mit § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG n.F. Schaffung einer Möglichkeit zur steuerfreien Nachzahlung bei entgeltfreien Zeiten (Elternzeit, Sabbatical etc.): Die steuerfreie Dotierungsmöglichkeit beträgt 8 % der Renten-BBG West je Kalenderjahr, in denen das Dienstverhältnis ruhte, max. 10 Kalenderjahre.
- Einführung einer Arbeitgeber-Förderung für Geringverdiener in Höhe von 30 % für Arbeitgeber-Beiträge von mind. 240 EUR bis max. 480 EUR p.a. in einem externen Durchführungsweg. Der Förderbetrag für den Arbeitgeber beläuft sich demnach auf 72 EUR bis 144 EUR p.a.. Der Förderbetrag gilt für Mitarbeiter mit einem Einkommen bis 2.200 EUR monatlich. Der Förderbeitrag wird zugunsten des Arbeitgebers im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens mit der Lohnsteuerschuld verrechnet.
- Für Leistungsempfänger der Grundsicherung: Ab 2018 Einführung eines Sockelfreibetrages und eines erweiterten Freibetrages für Einkommen aus freiwilliger zusätzlicher Altersvorsorge, das als lebenslange Leistung gezahlt wird. Der Sockelfreibetrag beträgt 100 Euro. Der erweiterte Freibetrag errechnet sich aus 30 % des Betrags der zusätzlichen Altersversorgung über 100 Euro hinaus, max. 50% des Regelbedarfs (auf Basis der Werte für 2017 ist das ein Betrag von max. 408 EUR mtl., der teilweise anrechnungsfrei bleibt).
- Abschaffung der Doppelverbeitragung von Riester-Verträgen in der bAV: Beiträge zu betrieblichen Riester-Verträgen sind zwar weiterhin aus dem individuell versteuerten und mit Sozialversicherungsbeiträgen belegten Einkommen aufzubringen, die Versorgungsleistungen unterliegen hingegen grds. nicht mehr der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner.
- Die Riester-Grundzulage wird von 154 EUR auf 175 EUR p.a. angehoben.
- Künftig kann eine Deckungskapitalübertragung auf einen anderen externen Versorgungsträger auch ohne Wechsel des Arbeitgebers, d.h. im laufenden Arbeitsverhältnis, steuerfrei erfolgen (§ 3 Nr. 55 EStG).
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, um der bAV in Deutschland mehr Verbreitung und damit auch Bedeutung zu verleihen. An einigen Stellen hätte man sich aber etwas mehr Mut des Gesetzgebers gewünscht. Beispielhaft sei hier ein Gleichklang der Höhe der steuerfreien und der sozialbeitragsfreien Dotierung in der Entgeltumwandlung zu nennen. Wie bereits erwähnt muss auch beobachtet werden, ob sich die zwingende Verbindung der Beitragszusage mit einem sie regelnden Tarifvertrag in der Praxis nicht als ein erheblicher Hemmschuh erweist. Es bleibt also auch für künftige Legislaturperioden noch einiges zu tun, um die bAV in Deutschland voranzubringen.