LAG Düsseldorf, 05.09.2015 - 12 Sa 175/15 (Revision eingelegt unter: 3 AZR 669/15)
Führt ein Arbeitgeber (ArbG) die Beiträge an eine Pensionskasse nicht ab und unterrichtet er die Arbeitnehmer (ArbN) nicht spätestens bei Fälligkeit, ist die persönliche Haftung des Geschäftsführers möglich.
Für die Strafbarkeit ist es nicht erforderlich, dass der ArbN der Versicherungsnehmer (VN) der Pensionskasse ist. Es reicht aus, wenn der ArbG als VN Beiträge zu Gunsten des ArbN aus dessen Entgelt an die Pensionskasse abzuführen hatte.
Auf die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter war aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme der Mantelvertrag der Obst-, Gemüse- und Kartoffel-verarbeitenden Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie und der entsprechende Altersvorsorge-Tarifvertrag anzuwenden. Dieser sah einen Entgeltumwandlungsanspruch zugunsten einer Pensionskasse sowie einen tariflichen Altersvorsorgebetrag vor. Zudem erhielten die an der Entgeltumwandlung teilnehmenden Mitarbeiter einen Arbeitgeberzuschuss.
Die Teilnahme an der Entgeltumwandlung wurde zwar korrekt in der monatlichen Gehaltsabrechnung umgesetzt und ausgewiesen. Die Beiträge wurden jedoch nicht an die tarifvertraglich vorgeschriebene Pensionskasse weitergeleitet. Gleichwohl bescheinigte die Pensionskasse den Mitarbeitern 2014 die Abführung der Beiträge 2013. Hintergrund war, dass zwischen Arbeitgeberin und Pensionskasse über einen Zahlungsplan, d.h. eine Prämienzahlung zu einem späteren Termin, verhandelt wurde. Zum 01.05.2014 wurde die Insolvenz über das Vermögen der Arbeitgeberin eröffnet. Die ehemaligen Mitarbeiter meldeten die nicht abgeführten Beiträge zur Insolvenztabelle an und verklagten gleichzeitig die Geschäftsführer auf Zahlung der in 2013 nicht eingezahlten Beiträge an die Pensionskasse.
Die Klagen der ehemaligen Mitarbeiter hatten Erfolg. Führe ein Arbeitgeber die Beiträge an eine Pensionskasse nicht ab und unterrichte der Geschäftsführer, der als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft haftet, die Arbeitnehmer nicht spätestens bei Fälligkeit oder unverzüglich danach, komme die deliktische Haftung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a Abs. 3 StGB in Betracht.
Das LAG Düsseldorf erklärte weiterhin, dass dies auch gelte, wenn die Beiträge aus Entgeltbestandteilen der Arbeitnehmer bezahlt werden, sei es im Wege der Entgeltumwandlung oder weil es sich um einen Zuschuss des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung handelt, der ebenfalls Entgeltbestandteil ist. Bei einem Tarifvertrag müsse ausgelegt werden, ob der tarifliche Altersvorsorgebeitrag — wie vorliegend — ergebe, dass es sich dabei um einen Entgeltbestandteil handelt.
Die Geschäftsführerin wurde daher verurteilt, die aufgrund der Insolvenz "verlorenen" Beiträge nachträglich an die Pensionskasse abführen, da die klagenden Parteien so zu stellen sind, wie sie bei der ordnungsgemäßen Abführung gestellt gewesen wären.
Zwar ist das Urteil nicht rechtskräftig (Revision beim BAG eingelegt unter: 3 AZR 669/15), dennoch ist jedem Geschäftsführer bzw. Vorstand dringend zu empfehlen, seinen Überwachungs- und Organisationspflichten gewissenhaft nachzukommen. Das Urteil zeigt, dass eine Überwachungspflichtverletzung nicht nur das Risiko einer strafrechtlichen Verurteilung beinhaltet, sondern dass sie auch — abweichend von dem Grundsatz, dass nur die juristische Person selbst haftet — zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen kann. Dies kann insbesondere im Insolvenzfall von Nutzen für die (ehemaligen) Mitarbeiter sein.