Marco Westermann - 23 Jul 2014

Tarifautonomiestärkungsgesetz verabschiedet

Geänderte Verfahrensweise zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen

Neue Regelung für Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen über gemeinsame Einrichtungen (auch bAV)

Praxisauswirkungen bleiben abzuwarten


Am 11. Juli 2014 hat der Bundesrat im Windschatten des Lebensversicherungsreformgesetzes auch das Tarifautonomiestärkungsgesetz passieren lassen. Nach Unterschrift durch den Bundespräsidenten tritt das Gesetz mit Verkündung im Bundesgesetzblatt unmittelbar in Kraft. Neben der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns beinhaltet das Gesetz auch Änderungen zur Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen.

Die AVE eines Tarifvertrags (TV) führt dazu, dass dieser auch dann zwingend gilt, wenn Arbeitgeber und/oder Arbeitnehmer nicht Verbands- bzw. Gewerkschaftsmitglied sind oder den Tarifvertrag arbeitsvertraglich in Bezug genommen haben.

1. Neuregelung der AVE im öffentlichen Interesse

Bislang galt nach § 5 TVG, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) einen TV im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Spitzenorganisation der Arbeitgeber und der Spitzenorganisation der Arbeitnehmer bestehenden Ausschuss (Tarifausschuss) auf Antrag einer Tarifvertragspartei für allgemeinverbindlich erklären konnte, wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigten und die AVE im öffentlichen Interesse geboten erschien (sog. 50-Prozent-Quorum).

Das 50-Prozent-Quorum wird mit der Begründung der sinkenden Tarifbindung durch die Gesetzesänderung nun gestrichen und durch ein konkretisiertes öffentliches Interesse ersetzt. Ein solches liegt vor, wenn der TV in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt hat oder die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung eine AVE verlangt. Neu ist auch das Erfordernis eines gemeinsamen Antrags der Tarifvertragsparteien. Hierdurch und durch die Befassung im Tarifausschuss soll sichergestellt werden, dass die Sozialpartner auf Branchenebene und die Spitzenverbände eine Abstützung der tariflichen Ordnung für notwendig erachten.

2. Ergänzung: AVE zur Sicherung der Funktionsfähigkeit gemeinsamer Einrichtungen, insbesondere im Bereich der bAV

Neu eingeführt und gesondert geregelt wird die AVE von TV über gemeinsame Einrichtungen. Solche TV können künftig zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Einrichtung für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dieser neuen AVE kommt gegenüber anderen Tarifverträgen eine verdrängende Vorrangwirkung zu. Das bedeutet, dass der für allgemeinverbindlich erklärte TV auch dann einzuhalten ist, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eigentlich an einen anderen TV gebunden sind.

Voraussetzungen für eine AVE nach § 5 Abs. 1a TVG sind folgende:

  • Der allgemeinverbindlich zu erklärende TV betrifft eine gemeinsame Einrichtung, die die in Ziffern 1-5 abschließend genannten Gegenstände regelt. Neben der bAV i.S.d. BetrAVG (§ 5 Abs. 1a Nr. 2 TVG) fallen hierunter beispielsweise auch Regelungen zum Urlaub, der Ausbildungsvergütung und der betrieblichen Vermögensbildung.
  • Der TV regelt die Einziehung von Beiträgen und die Gewährung von Leistungen durch die gemeinsame Einrichtung.
  • Die AVE dient der Sicherung der Funktionsfähigkeit der gemeinsamen Einrichtung.
  • Die AVE erfolgt durch das BMAS im Einvernehmen mit dem Tarifausschuss und auf gemeinsamen Antrag der Tarifvertragsparteien.


3. Ausblick

Für das Tarifautonomiestärkungsgesetz wurde das sogenannte beschleunigte Verfahren genutzt, wodurch das Gesetzgebungsverfahren in ungewöhnlich kurzer Zeit abgeschlossen worden ist. Die Anhörungen zum Gesetzesentwurf fielen knapp aus und die Gesetzesbegründung zu den vorstehend beschriebenen Passagen des Gesetzes ist recht oberflächlich. Daher sind zahlreiche Fragen, wie die neuen gesetzlichen Regelungen zu interpretieren sind, noch ungeklärt.

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