BAG zur Verschlechterung von Versorgungszusagen in einem Konzern
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Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 02.07.2024 – 3 AZR 247/23 (sowie Parallelentscheidung 3 AZR – 255/23)
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Ablösende Versorgungszusagen, die in die Höhe einer Versorgungsanwartschaft eingreifen, sind anhand der 3-Stufen-Theorie zu beurteilen
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Wenn der Konzernarbeitgeber die schon bislang konzernweit geregelte bAV für den gesamten Konzern durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung ablösen möchte, bestimmt sich das Vorliegen sachlich-proportionaler Gründe für eine verschlechternde Regelung der noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Stufe des Prüfungsschemas) nach den tatsächlichen Umständen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Konzern
Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):
Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersrente.
Dem Kläger wurde seitens der beklagten ehemaligen Arbeitgeberin auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung (= KBV 1977) eine betriebliche Altersrente zugesagt. Die KBV 1977 sah ein dienstzeit- und gehaltsabhängiges Gesamtversorgungssystem vor. 1987 wurde die KBV 1977 durch eine neue Konzernbetriebsvereinbarung (= KBV 1987) ersetzt. Dadurch verringerte sich die Versorgungshöhe.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger eine höhere Altersrente auf Grundlage der KBV 1977.
Der Kläger ist der Ansicht, die KBV 1977 sei nicht wirksam durch die KBV 1987 abgelöst worden.
Die Beklagte vertritt hingegen die Ansicht, die KBV 1977 sei wirksam abgelöst worden. Die Verschlechterung noch nicht erdienter, künftiger Zuwächse sei durch sachlich-proportionale Gründe (Kostenlast, wirtschaftliche Schwierigkeiten) zu rechtfertigen. Hierfür sei eine konzerneinheitliche Betrachtung geboten gewesen.
Die Vorinstanzen – zuletzt das Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil v. 27.09.2023 – 4 Sa 124/22 – haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte insoweit Erfolg, als dass die Berufungsentscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen wird. Dieses muss nun die weiteren Feststellungen treffen und neu entscheiden, ob im Zeitpunkt der Ablösung sachlich-proportionale Gründe für die Verschlechterung vorlagen. Eine endgültige Entscheidung, ob die Ablösung wirksam erfolgt ist, bleibt damit abzuwarten.
Entscheidung:
Das BAG entschied, dass die 3-Stufen-Theorie auch bei einer verschlechternden Neuordnung einer Konzernbetriebsvereinbarung gilt. Bei einer konzernweit geltenden Regelung zur bAV sei im Rahmen der Ablösung auf die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Konzern abzustellen und nicht isoliert auf die Verhältnisse eines konzernangehörigen Unternehmens. Für eine Verschlechterung der noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse (dritte Stufe) seien sachlich-proportionale Gründe erforderlich. Ein sachlicher Grund könne vorliegen, wenn sich die Pensionslasten und damit die Pensionsrückstellungen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen erheblich erhöhen oder es zu nachträglichen Änderungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung oder im Steuerrecht komme. Der bloße pauschale Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten oder steigende Pensionsrückstellungen im Konzern reiche aber nicht aus. Vielmehr seien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Konzerns konkret darzulegen.
Die Verschlechterung der Versorgungszusage müsse darüber hinaus in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Notwendigkeit stehen. Der Konzernarbeitgeber müsse darlegen, dass alternative Maßnahmen geprüft wurden und die Einsparungen proportional zur Belastung der Arbeitnehmer seien.
Die Zustimmung des Konzernbetriebsrats kann nach Ansicht des BAG ein Indiz für das Vorliegen sachlich-proportionale Gründe sein.
Hinweis:
Mit diesem Urteil bestätigt das BAG seine ständige Rechtsprechung zu den Änderungen von Versorgungszusagen durch abändernde Betriebsvereinbarungen. Derartige Änderungen sind weiterhin anhand der 3-Stufen-Theorie zu prüfen (ständige Rechtsprechung seit BAG, Urteil vom 17.04.1985 – 3 AZR 72/83). Darüber hinaus hat das BAG entschieden, dass für die Ablösung einer konzernweit geltenden Regelung zur bAV die tatsächlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Konzerns maßgeblich sind.
BAG zum dreistufigen Prüfungsschema:
Laut BAG muss eine ablösende Betriebsvereinbarung an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gemessen werden. Diese Grundsätze wurden durch das BAG durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert. Dieses wird in ständiger Rechtsprechung bei Eingriffen in die Höhe von Versorgungsanwartschaften angewendet (Rechtsprechung seit BAG 17.04.1985 – AZR 72/83). Soweit demnach ein Eingriffsgrund besteht, sind die Besitzstände der bisher begünstigten Arbeitnehmer zu beachten; die Bestandsinteressen der bisher begünstigten Arbeitnehmer sind mit den Änderungsinteressen der Betriebspartner abzuwägen. Je gewichtiger die Änderungsinteressen sind, desto tiefere Einschnitte in die Besitzstände sind möglich. Der Besitzstand nach der alten Regelung wird dabei in drei Stufen aufgeteilt. Maßgeblich ist die bereits erdiente und erdienbare Versorgung.
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Die erste Besitzstandsstufe ist der am Änderungsstichtag gem. § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 BetrAVG erdiente Teilbetrag. Es wird so getan, als ob der Arbeitnehmer am Änderungsstichtag ausgeschieden wäre. Ein Eingriff in die erste Besitzstandsstufe ist nur durch zwingende Gründe (z.B. Eintreten einer planwidrigen Überversorgung) zu rechtfertigen.
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Die zweite Besitzstandsstufe berücksichtigt die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die bis zum Änderungszeitpunkt erbracht wurde und die darauf entfallende Dynamik der Versorgungsanwartschaft. Eingriffe in diese Besitzstandsstufe können durch triftige Gründe (z.B. schlechte wirtschaftliche Lage) gerechtfertigt werden.
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Die dritte Besitzstandsstufe bezieht sich auf die noch erdienbaren Versorgungsteilbeträge, die in der Zeit nach dem Änderungsstichtag erworben werden können. Da die Gegenleistung „Betriebstreue“ noch nicht erbracht ist, ist die dritte Besitzstandsstufe weniger schützenswert. Der Eingriff kann durch sachlich-proportionale Gründe (z.B. Harmonisierung unterschiedlicher Versorgungssysteme) gerechtfertigt werden.
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