HPM - 7 Aug 2019

BAG Urteil zur Wirksamkeit einer Altersabstandsklausel in der Hinterbliebenenversorgung

  • BAG, Urteil vom 16.10.2018 — 3 AZR 520/17
  • Eine Altersabstandsklausel, die eine Hinterbliebenenrente pro Jahr um 5% kürzt, das die Witwe mehr als 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann war, verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.

 

Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Altersabstandsklausel in einer betrieblichen Versorgungsordnung.

Die Klägerin ist 1972 geboren. Sie hat ihren 1943 geborenen und 2013 verstorbenen Ehemann 1993 geheiratet. Dem versorgungsberechtigten Ehemann wurde seitens seiner Arbeitgeberin u. a. eine Hinterbliebenenversorgung zugesagt.

In der maßgeblichen Pensionsordnung wurde sinngemäß geregelt, dass die Witwenpension grundsätzlich 55 % der Altersrente des Versorgungsberechtigten beträgt. Außerdem ist dort folgende Regelung enthalten:

„Ist die Witwe über 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann, so vermindert sich die Pension für jedes Jahr, um welches der Altersunterschied 15 Jahre übersteigt, um 5 % des an sich für sie vorgesehenen Betrages.“

Aufgrund des Altersabstands von 29 Jahren zwischen den Eheleuten minderte die beklagte Arbeitgeberin die auf Grundlage der Altersrente errechnete Witwenpension um 70 % (= 5 % / Jahr x 14 Jahre). Die Klägerin ist der Ansicht, dass die abgestufte Altersabstandklausel wegen einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters unwirksam sei und ihr deshalb eine ungekürzte Witwenpension zustehe.

Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage der hinterbliebenen Ehefrau auf Zahlung der ungekürzten Witwenpension als unbegründet ab (ArbG Köln, Urteil vom 20.07.2016 — 7 Ca 6880/15). Die Berufung der Klägerin wies das Landesarbeitsgericht Köln zurück (LAG Köln, Urteil vom 31.05.2017 — 11 Sa 856/16). Letztinstanzlich hatte die Revision der Klägerin ebenfalls keinen Erfolg.

 

 

Entscheidung


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Witwenpension hat. Die abgestufte Altersabstandsklausel sei wirksam und verstoße damit nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (§ 7 Abs. 1 und 2 AGG).

Die Kürzung einer Witwenpension um 5 % für jedes Jahr, das die hinterbliebene Ehefrau mehr als 15 Jahre jünger als der versorgungsberechtigte Ehegatte ist, führe zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit § 1 AGG, da sie diejenigen Arbeitnehmer benachteilige, deren Ehepartner um mehr als 15 Jahre jünger ist.

Die Regelung ist nach Ansicht des BAG aber nach § 10 S. 1 und 2 AGG gerechtfertigt, da sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Auch das Mittel zur Erreichung des Ziels (konkrete Altersgrenze) sei angemessen und erforderlich.

Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, habe ein legitimes Ziel, das damit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen. Die Kürzung der Hinterbliebenenversorgung diene dieser Risikobegrenzung.
Die konkrete Altersabstandsklausel, die einer Witwe 5 % Hinterbliebenenrente pro Jahr, das sie mehr als 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann war, kürzt, sei angemessen und erforderlich. Denn das Interesse des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers an der Versorgung seines hinterbliebenen Ehegatten erfahre durch die abgestufte Altersabstandsklausel keine übermäßige Beeinträchtigung. Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren sei der gemeinsame Lebenszuschnitt gerade darauf angelegt, dass der hinterbliebene Ehegatte, einen Teil seines Lebens allein, ohne den Versorgungsberechtigten, verbringe.
Daher sei es berechtigt, wenn der Arbeitgeber dieses im Lebenszuschnitt angelegte finanzielle Risiko nicht übernehmen wolle und eine Hinterbliebenenversorgung ausschließe. Erst recht sei es daher berechtigt, die Hinterbliebenenversorgung nicht vollständig auszuschließen, sondern eine maßvolle schrittweise Kürzung von 5 % der Witwenpension für jedes weitere Jahr Altersabstand zu regeln, sodass erst bei einem Altersabstand von 35 Jahren ein vollständiger Ausschluss der Witwenpension eintrete.

Nach Ansicht des BAG sind bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren darüber hinaus lediglich solche hinterbliebenen Ehegatten vom Bezug der Witwenrente betroffen, deren Abstand den üblichen Altersabstand zwischen Ehegatten erheblich übersteigt. Ein gleich geeignetes, milderes Mittel sei nicht ersichtlich, um das finanzielle Risiko zu begrenzen.

 

Hinweis

Mit diesem Urteil führt das BAG seine bisherige Rechtsprechung zu Altersabstandklauseln fort. Bereits mit Urteil vom 20.02.2018 (3 AZR 43/17) hatte das BAG entschieden, dass eine Altersabstandsklausel, wonach dem hinterbliebenen Ehegatten nur dann ein Anspruch auf Versorgungsleistungen zusteht, wenn dieser nicht mehr als 15 Jahre jünger ist als der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer, keine gegen das AGG verstoßende Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Vor diesem Hintergrund war es absehbar, dass solche Klauseln, die die Witwenversorgung bei einem größeren Altersabstand nicht ausschließen, sondern eine Reduzierung des Anspruchs bei steigendem Altersabstand vorsehen, erst recht wirksam sein werden. Dies hat das BAG nun bestätigt.

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