Volker Ars - 15 Apr 2020

Verschlechternde Änderung von arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusagen

Hintergründe & Hilfestellung

Viele Unternehmen sind von der Coronakrise wirtschaftlich betroffen und denken darüber nach, ihre Aufwendungen für die betriebliche Altersversorgung zu reduzieren. 

Haben Unternehmen auf die Einführung von Kurzarbeit zurückgegriffen, ergibt sich vielfach bereits aus den vorhandenen Versorgungsregelungen eine Reduzierung des Arbeitgeberaufwands. Mehr dazu lesen Sie hier.

Ist dies nicht der Fall, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, im Zuge der wirtschaftlichen Folgen der Krise die Versorgungsregelung entsprechend verschlechternd abzuändern. Die Anforderungen, die bei einer solchen Änderung zu beachten sind, hängen vom Rechtsbegründungsakt der betrieblichen Altersversorgung und den Gründen ab, die dem jeweiligen Arbeitgeber für eine solche Änderung zur Seite stehen.

 

Änderungsinstrument

  • Beruht die Versorgungsregelung auf einer individuellen Einzelzusage, kann eine Änderung mit Zustimmung des Versorgungsberechtigten vereinbart werden.

  • Beruht die Versorgungsregelung auf einer Betriebsvereinbarung, kann eine Änderung mit dem zuständigen Betriebsrat umgesetzt werden und eine ablösende Betriebsvereinbarung geschlossen werden.

  • Beruht die Versorgungsregelung auf einer individualrechtlichen Grundlage mit kollektivem Bezug (dazu gehören Gesamtzusage, vertragliche Einheitsregelung, betriebliche Übung), kann im Regelfall eine Änderung einseitig durch den Arbeitgeber im Wege einer sog. ablösenden Gesamtzusage erfolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aus der Versorgungsregelung klar hervorgeht, dass nicht die jeweils geltende Fassung maßgeblich sein soll. Besteht inzwischen ein Betriebsrat, sind dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten, so dass die Ablösung in der Regel im Wege einer Betriebsvereinbarung erfolgen muss.

Änderungsgründe

Im Falle einer Änderung im Wege einer ablösenden Betriebsvereinbarung oder Gesamtzusage müssen dem Arbeitgeber Gründe zur Seite stehen, die eine Änderung rechtfertigen. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit dürfen bei Eingriffen in Besitzstände, und dazu gehören auch künftige Zuwächse, nicht verletzt werden. Diese hat das Bundesarbeitsgericht in der sog. Drei-Stufen-Theorie konkretisiert. Danach sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenüberzustellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1, § 2a Abs. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnahmefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus dynamischen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe (vgl. zuletzt BAG 22. Oktober 2019 - 3 AZR 429/18). Heißt: Je stärker der Arbeitnehmer sich seine Versorgungsansprüche schon erarbeitet hat, desto gewichtiger müssen die Gründe sein, damit der Arbeitgeber noch verschlechternd eingreifen kann.

Beabsichtigt das Unternehmen eine Reduzierung seiner künftigen Beitragslast in einem beitragsorientierten System, müssen ihm dafür sachlich-proportionale Gründe zur Seite stehen. Beruft sich der Arbeitgeber darauf, wirtschaftliche Schwierigkeiten hätten ihn veranlasst, die Kosten zu reduzieren, ist dies der Fall, wenn die Eingriffe in die betriebliche Altersversorgung in der eingetretenen wirtschaftlichen Situation nicht unverhältnismäßig waren. Dies ist dann der Fall, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als ein vernünftiger Unternehmer dies zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftlichen Situation für geboten erachten durfte. Insoweit muss er darlegen können, dass sich der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk in ein auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst und die Ausgestaltung dieses Gesamtkonzepts plausibel ist. Unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick der Kostenreduzierung zuwiderlaufen, müssen einleuchtend sein. Dem Arbeitgeber und insbesondere den Betriebsparteien steht bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen ein Vorrecht zur Einschätzung zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts haben sie einen Beurteilungsspielraum (BAG 10.11.2015, 3 AZR 390/14). Dementsprechend bedarf es einer Würdigung der konkreten wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. Der Eingriff in die bAV darf dabei nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit dem Gesamtkonzept des Unternehmens zur Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten bewertet werden.

Das BAG hat in der Entscheidung vom 10.11.2015 klar formuliert, was der Arbeitgeber in einem etwaigen Prozess darzulegen hat, damit die einschränkende Neuordnung auch gerichtlich hält. So muss er darlegen, welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen, in welchem Gesamtumfang angesichts dessen eine Kosteneinsparung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers geboten war und wie das notwendige Einsparvolumen ermittelt wurde. Darüber hinaus hat er sein Gesamtkonzept zu erläutern. Hierzu hat er sämtliche anderen Maßnahmen im Einzelnen darzulegen, die zur Kosteneinsparung getroffen wurden. Zudem ist vorzutragen, in welchem Umfang diese Maßnahmen bei prognostischer Betrachtung zur Einsparung beitragen und wie das auf die durchgeführten Maßnahmen entfallende Einsparpotential ermittelt wurde. Ferner ist darzutun, in welchem Umfang die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zur Kosteneinsparung beiträgt und nach welchen Kriterien das prognostizierte Einsparvolumen ermittelt wurde. Auf entsprechenden Einwand des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb anderweitige Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten nicht getroffen wurden und unternehmerische Entscheidungen, die auf den ersten Blick dem Ziel der Kostenreduzierung zuwiderlaufen, erklären (BAG 10.11.2015, 3 AZR 390/14).

Über die Drei-Stufen-Theorie hinaus prüft das Bundesarbeitsgericht auch, ob die Einschränkung zu besonderen Härten im Einzelfall führt. Dementsprechend kann es erforderlich sein, dass ältere Arbeitnehmer von der Kürzung entweder ganz ausgeschlossen oder nur – entsprechend ihrem Lebensalter – weniger stark betroffen sind.

Empfehlung: Die Ausführungen machen deutlich, dass ein verschlechternder Eingriff in ein bestehendes Versorgungssystem einer sorgfältigen Prüfung und einer entsprechenden Dokumentation bedarf. Wir empfehlen hier mit Bedacht und professioneller Unterstützung vorzugehen, um spätere Konflikte und Haftungsrisiken zu vermeiden. Bei der Prüfung, ob eine verschlechternde Neuordnung in Ihrem Fall möglich ist, sind wir gerne behilflich. Sprechen Sie uns an!

 

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