Nadine Wiese - 30 Jun 2025

BFH-Urteil vom 04. September 2024, XI R 25/21 Ansatz und Teilwert von Pensionsrückstellungen für beitragsorientierte Leistungszusagen ohne garantierte Mindestversorgung

Kernaussagen
  1. Pensionsrückstellungen sind dem Grunde nach auch für erteilte Versorgungszusagen im Sinne des § 6a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu bilden, die einen rechtsverbindlichen Anspruch auf Versorgungsleistungen bei Eintritt des Versorgungsfalls unter der aufschiebenden Bedingung einräumen, dass sich die Höhe der zugesagten Leistung danach richtet, welchen Wert eine Rückdeckungslebensversicherung, die in Fondsanteile investiert, beim Eintritt des Versorgungsfalls hat.
  2. Der Teilwert einer Pensionsverpflichtung richtet sich auch bei beitragsorientierten Leistungszusagen ohne garantierte Mindestleistung nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG für den Teil der Versorgungszusage, der auf einer Zusage im Rahmen einer Entgeltumwandlung im Sinne von § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung beruht, und im Übrigen nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG.
Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)
Eine GmbH erteilte ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer A, ihrem Geschäftsführer B und leitenden Angestellten inhaltsgleiche, lediglich in der Höhe abweichende, Versorgungszusagen. Die Versorgungsberechtigten hatten einen Anspruch gegen die GmbH auf Alters- und Hinterbliebenenrente in Höhe des bei Eintritt des Versorgungsfalls bestehenden jeweiligen Fondswerts.
 
Für die wertpapiergebundenen Versorgungszusagen hatte die GmbH einen festgelegten Einmalbeitrag für die jeweiligen Versorgungsberechtigten an den Versicherer zu entrichten. Zusätzlich war Entgeltumwandlung möglich. Die Versicherungsleistung bestand in einer lebenslang zu zahlenden Rente oder einer einmaligen Kapitalauszahlung. Die Höhe der Rente bzw. der Kapitalauszahlung sollte sich aus dem Fondswert bei Eintritt des Versorgungsfalls ergeben. Der Fonds sah keine Mindestleistung vor; demgemäß war eine Mindestversorgung durch die Rückdeckungsversicherung nicht garantiert.
Die GmbH bildete für die Versorgungsverpflichtungen eine Pensionsrückstellung. Das Finanzamt erkannte die Pensionsrückstellung schon dem Grunde nach nicht an, es fehle am Rechtsanspruch auf Leistungen der Höhe nach, weil diese allein vom Fondswert abhängig seien. Es handele sich um eine reine Vermögensanlage ohne Versorgungszweck. Das Finanzgericht gab der dagegen gerichteten Klage der GmbH statt.

Entscheidung
Der Bundesfinanzhof (BFH) stellt klar, dass für die von der GmbH erteilten Pensionszusagen nach § 6a Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG Pensionsrückstellungen zu bilden sind, die zu den jeweiligen Bilanzstichtagen nach Maßgabe des § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG bewertet werden müssen.
 
Der BFH ordnet die Versorgungszusagen als dem Anwendungsbereich des § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG unterfallende Direktzusagen ein. Den Mitarbeitern, denen eine Versorgungszusage erteilt worden sei, stünde in zivil- bzw. arbeitsrechtlicher Hinsicht jeweils ein rechtsverbindlicher Anspruch gegenüber der Klägerin auf Zahlung einer Alters- bzw. Hinterbliebenenrente oder Kapitalabfindung bei Eintritt des Versorgungsfalls mit der Maßgabe, dass sich die Höhe der zugesagten Leistung nach dem bis zum Versorgungsbeginn ungewissen Wert der Fondsanteile bzw. Rückdeckungslebensversicherung richtet, zu.
Dieser Rechtsanspruch bestehe auch bei wertpapiergebundenen Pensionsverpflichtungen der vorliegenden Art ohne garantierte (Mindest-)Versorgung, wenn und soweit der Umfang dieser Verpflichtungen unter der gemäß § 158 BGB aufschiebenden Bedingung stehe, dass sich die Höhe der zugesagten Leistungen nach dem bis zum Versorgungsbeginn ungewissen Wert der Fondsanteile bzw. Rückdeckungslebensversicherung richte. Entgegen der Stellungnahme des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), das dem Revisionsverfahren als Beteiligte beigetreten war, dienten auch Zusagen, die sich ihrer Höhe nach allein an der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere orientierten, einem Versorgungszweck des Pensionsberechtigten i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EstG.
 
Anders als § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG, der für die Bestimmung des Teilwerts, mit dem eine Pensionsverpflichtung vor Beendigung des Dienstverhältnisses der Höhe nach anzusetzen ist, auf die Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung verweise, stelle § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht auf die Vorschriften des BetrAVG ab. Es könne daher offenbleiben, ob die Regelungen des BetrAVG vorliegend Anwendung fänden.
 
Anders als das BMF meine, sei aus der Konjunktion "wenn und soweit" im Tatbestand des § 6a Abs. 1 EStG nicht zu entnehmen, dass der Rechtsanspruch i.S. von § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG bereits im Zeitpunkt der Zusage eine bestimmte (Mindest-)Versorgung garantieren müsse.
 
Auch seien die Pensionszusagen weder ihrem Anspruch noch ihrem Umfang nach von künftigen gewinnabhängigen Bezügen abhängig. Die Höhe der Leistungen, die der Pensionsberechtigte aus der ihm erteilten Zusage künftig zu erwarten habe, hänge bis zum Eintritt des Versorgungsfalls von der ungewissen weiteren Wertentwicklung der zugrunde liegenden Wertpapiere, die der Rückdeckung der erteilten Leistungszusage dienen, ab. Die in § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG geregelte "Gewinnabhängigkeit" der Pensionsleistungen beziehe sich allein auf gewinnabhängige Bezüge, also nur auf zukünftige Tantiemen und Boni des Arbeitgebers. Eine schädliche Gewinnabhängigkeit anderer externer Quellen, speziell von Wertpapieren wie Fondsanteilen und Aktien, oder die Wertentwicklung der in solche Wertpapiere investierten Rückdeckungslebensversicherung sei § 6a Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 EStG nicht zu entnehmen.
 
Der Teilwert sei, entgegen der Auffassung der GmbH, nicht abweichend von § 6a Abs. 3 EStG mit dem jeweils aktuellen Wert der Rückdeckungslebensversicherung (beziehungsweise der Fondsanteile) zum jeweiligen Bilanzstichtag zu bewerten, sondern maßgeblich sei der Barwert der künftigen Pensionsleistungen abzgl. des Barwerts gleichbleibender Beiträge, die auf den Beginn des Dienstverhältnisses ermittelt würden.
 
Zwar habe der Gesetzgeber für die handelsrechtliche Bewertung beitragsorientierter Leistungszusagen der vorliegenden Art durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102) mit § 253 Abs. 1 S. 3 HGB eine Regelung eingeführt, welche handelsbilanziell die von der GmbH geltend gemachte Bewertung mit dem jeweils aktuellen Wert der Fondsanteile bzw. dem Deckungskapital der Rückdeckungslebensversicherung vorsehe. Da der Gesetzgeber jedoch nicht zugleich die steuerrechtliche Bewertung in § 6a Abs.3 EStG entsprechend angepasst habe, sei davon auszugehen, dass er den Fall einer beitragsorientierten Leistungszusage der vorliegenden Art, bedacht habe und es gleichwohl für solche Versorgungszusagen bei den in § 6a Abs. 3 EStG enthaltenen Bewertungsregelungen (Teilwert) belassen habe. Schließlich bestätigt der BFH in diesem Kontext die Verfassungsmäßigkeit des 6%igen § 6a-Rechnungszinses.
 
Fazit
Der BFH weicht mit seinem Urteil von der Auffassung des BMF (BMF v. 17. Dezember 2002 – IV A 6 – S 2176 – 47/02 BStBl 2002 I S. 1397) und dessen Einlassung im Verfahren ab. Das BMF hielt die Rückstellungsbildung nur in Höhe einer zugesagten Mindestversorgung für zulässig.
 
Weiterhin trifft der BFH weitere grundsätzliche Aussagen, indem er folgert, für die Rückstellungsbildung sei es dem Grunde nach unerheblich, ob eine Versorgungszusage i.S.d. BetrAVG vorliege. § 6a EStG fordere nicht, dass ein Anspruch auf eine Mindestversorgung eingeräumt werde und die Höhe der künftigen Leistung müsse demnach auch nicht feststehen. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich das BMF nach dem Urteil positioniert.

 
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