Marco Westermann - 31 Aug 2015

BAG-Rechtsprechung zur Insolvenzfestigkeit einer Direktversicherung

Im Insolvenzfall kann eine einschränkende Auslegung von Vorbehaltsrechten geboten sein.

Im Einzelfall ist maßgeblich, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der Insolvenz und nicht aus Gründen endet, die der Arbeitnehmer zu vertreten hat.

Zugunsten eines GGF kann dies nur gelten, wenn dieser eine Minderheitsbeteiligung hält und nicht gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer über die Mehrheitsanteile verfügt.

Sachverhalt (vereinfacht)

Der klagende Insolvenzverwalter verlangte die Auszahlung der Rückkaufswerte aus mehreren Direktversicherungen. Das insolvente Unternehmen hatte diese im Rahmen eines Gruppenvertrages zugunsten der Mitarbeiter bei der beklagten Versicherung abgeschlossen. In dem zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen hieß es u. a. in § 7 Ziffer 1 „Dem Versicherungsnehmer bleibt das Recht vorbehalten, den Rückkaufswert für sich in Anspruch zu nehmen, wenn das Arbeitsverhältnis mit der versicherten Person vor Eintritt des Versicherungsfalls endet, es sei denn, die versicherte Person hat die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit […] erfüllt.“

Nachdem der Insolvenzverwalter den Widerruf des Bezugsrechts und die Kündigung des Gruppenversicherungsvertrages erklärt hatte, forderte er die Auszahlung durch die Versicherung. Eine der versicherten Personen war Mitgesellschafter des Unternehmens und hielt einen Gesellschaftsanteil von 40 Prozent. Daneben war er zunächst auch Mitgeschäftsführer, später Alleingeschäftsführer. Bei den übrigen Mitarbeitern handelte es sich um Arbeitnehmer, die bereits teilweise vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Unternehmen ausgeschieden bzw. zu einem anderen Unternehmen des Konzerns gewechselt waren (Anmerkung: ohne unverfallbare Anwartschaft). Einigen anderen Mitarbeitern hatte der Insolvenzverwalter gekündigt bzw. mit ihnen Aufhebungsverträge geschlossen.

Entscheidung

Der BGH erklärte mit Urteil vom 24.06.2015 (IV ZR 411/13), dass bei den Mitarbeitern zu unterscheiden sei. Der Insolvenzverwalter habe einen Anspruch auf die Rückkaufswerte der Versicherungen, deren Begünstigte zu einem anderen Unternehmen des Konzerns gewechselt oder vor Beginn der vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeschieden seien.

Hinsichtlich der Arbeitnehmer, denen der Kläger nach Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter gekündigt habe, und der Arbeitnehmer, mit denen er nach Insolvenzeröffnung Aufhebungsverträge geschlossen habe, habe er das Bezugsrecht nicht widerrufen können, weil § 7 Ziffer 1 des Versicherungsvertrages in vorliegendem Fall einschränkend dahin auszulegen sei, dass die Bezugsberechtigung bei insolvenzbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht widerruflich sei. Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse entzögen sich der Einflusssphäre der Arbeitnehmer und seien auch nicht auf fehlende Betriebstreue zurückzuführen. Diese Interessenlage gebiete es, nicht an dem Wortlaut der Bezugsrechtsklausel festzuhalten.

Hinsichtlich des Geschäftsführers führte der BGH aus, er sei nicht nur Geschäftsführer und mit einem Anteil von 40 Prozent an der Gesellschaft beteiligt gewesen, sondern habe zusammen mit einem weiteren Geschäftsführer, der ebenfalls zu 40 Prozent an der Gesellschaft beteiligt war, Leitungsmacht in der Gesellschaft ausüben können. Entsprechend den Wertungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG komme es darauf an, ob die fraglichen Personen vermögens- und einflussmäßig so stark mit dem Unternehmen verbunden seien, dass sie es wirtschaftlich als ihr eigenes betrachten könnten. In einer Kapitalgesellschaft geschäftsführende Gesellschafter mit einer nicht unbedeutenden Beteiligung fallen, sofern sie entweder allein oder zusammen mit anderen Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern über die Mehrheit verfügen, in aller Regel nicht unter den Schutzbereich des Gesetzes. Nach diesem Maßstab habe kein Schutz für den Geschäftsführer bestanden.

Fazit

Der BGH bestätigte seine Rechtsprechung, nach der ein eingeschränkt unwiderrufliches Bezugsrecht einem uneingeschränkt unwiderruflichen in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht gleichsteht, solange die tatbestandlichen Voraussetzungen des vereinbarten Vorbehalts nicht erfüllt sind. Eine insolvenzbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann zu einer einschränkenden Auslegung der Vorbehaltserklärung führen, so dass das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu verneinen ist. Für den Insolvenzschutz bei GGF ist entscheidend, wie hoch ihr Gesellschaftsanteil ist und wie stark ihre Lenkungsmacht ist. Regelmäßig kommt ein den Arbeitnehmern vergleichbarer Schutz nur bei Minderheitsgesellschaftern mit sehr geringen Gesellschaftsanteilen in Betracht, wenn sie nicht allein oder mit anderen Geschäftsführern über die Mehrheit verfügen. Andernfalls kann der Insolvenzverwalter die Versicherung verwerten.

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