Livia Schäfer - 30 Aug 2024

BAG zur Gewährung des gesetzlichen 15%-Zuschusses im Zusammenhang mit bestehenden Tarifverträgen

  • Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.08.2024 - 3 AZR 285/23 sowie Parallelverfahren 3 AZR 286/23 und 3 AZR 287/23 (bislang nur Pressemitteilung)
  • Von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG inkl. des Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG auch in Tarifverträgen abgewichen werden, die bereits vor Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 01.01.2018 geschlossen wurden.

Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):

Die Parteien streiten um die Gewährung des gesetzlichen 15%-Zuschusses zur Entgeltumwandlung.

Der Kläger ist bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie e.V. und der IG-Metall (TV AV) vom 09.12.2008 Anwendung. Dieser gilt bei der Beklagten seit dem 01.01.2009. Auf Grundlage des TV AV wandelt der Kläger seit 2019 monatlich Entgelt um. Der Tarifvertrag gewährt den Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, einen zusätzlichen Altersvorsorgegrundbetrag in Höhe des 25-fachen des Facharbeiter-Ecklohns.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger ab dem 01.01.2022 die Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 15 % seines Umwandlungsbetrages gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG. Der Kläger ist der Ansicht, der TV AV sei keine abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG. Der Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Zuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG könne gem. § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht durch eine tarifvertragliche Regelung zur Entgeltumwandlung ausgeschlossen werden, die bereits vor Inkrafttreten der Regelung in § 1a Abs. 1a BetrAVG bestanden habe.

Die Vorinstanzen – zuletzt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Oktober 2023 (15 Sa 223/23 B) – haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Entscheidung:

Das BAG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Zuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG hat. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergebe, dass Regelungen, die von § 1a BetrAVG inkl. des Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG abweichen, auch in Tarifverträgen enthalten sein können, die vor dem Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 01.01.2018 geschlossenen wurden. Mit den Regelungen des TV AV liege eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor.

Hinweis:

Bislang liegt lediglich eine Pressemitteilung vor. Sollten sich aus der Begründung des Urteils, die erfahrungsgemäß in wenigen Monaten vorliegen wird, weitere Details ergeben, werden wir an dieser Stelle berichten.

Mit Urteil vom 08.03.2022 (3 AZR 361/21 und 362/21) hatte das BAG noch offen gelassen (bzw. konnte dies mangels Entscheidungserheblichkeit offen lassen), ob ein Tarifvertrag zur Altersversorgung aus dem Jahr 2008 eine zulässige Abweichung nach § 19 Abs. 1 BetrAVG von der gesetzlichen Zuschusspflicht enthält, obwohl er vor dem Inkrafttreten des Ersten Betriebsrentenstärkungsgesetzes 2018 und damit vor der gesetzlichen Zuschusspflicht abgeschlossen wurde. Diese Frage ist nun geklärt.

2022 hatte das BAG entschieden, dass ein Tarifvertrag, der einen Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung sowie Zusatzleistungen des Arbeitgebers zum umgewandelten Entgelt regelt, eine kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung im Sinne der gesetzlichen Übergangsregelung § 26a BetrAVG darstellt. Nach Ansicht des BAG hätten die Arbeitnehmer deshalb frühestens ab dem 01.01.2022 den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss verlangen können, was im Rahmen dieses früheren Verfahrens aber nicht geltend gemacht wurde.

Aus unserer Sicht war schon auf Grundlage der Entscheidung aus 2022 davon auszugehen, dass auch ab 01.01.2022 kein Anspruch auf den gesetzlichen Arbeitgeberzuschuss bestehen wird, da insoweit eine zulässige Abweichung nach § 19 Abs. 1 BetrAVG vorliegt (wir berichteten an entsprechender Stelle).

Offen bleibt aber, wie das BAG entscheidet, wenn ein Entgeltumwandlungs-Tarifvertrag keine Zuschussregelung enthält bzw. keine sonstigen Zusatzleistungen des Arbeitgebers zum umgewandelten Entgelt regelt.

Zu beachten ist, dass nach § 19 Abs. 3 BetrAVG ausschließlich in Tarifverträgen auch zuungunsten der Arbeitnehmer von den in § 19 Abs. 1 BetrAVG genannten Vorschriften abgewichen werden darf. D.h. durch Tarifvertrag könnte vorgesehen werden, dass kein Arbeitgeberzuschuss bzw. nur ein Zuschuss von weniger als 15 % gewährt wird; auch könnte sogar geregelt werden, dass eine Entgeltumwandlung nicht zulässig ist.

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