BAG zur Gewährung des gesetzlichen 15-%-Zuschusses im Zusammenhang mit bestehenden Tarifverträgen – Teil II
- Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.08.2024 – 3 AZR 286/23 sowie Parallelverfahren 3 AZR 285/23 und 3 AZR 287/23
- Von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG inkl. des Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG kann gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG auch in Tarifverträgen abgewichen werden, die bereits vor Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 01.01.2018 geschlossen wurden
- Tarifverträge, die die Entgeltumwandlung, aber keinen Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss regeln, stellen eine zulässige abweichende Regelung i.S.d. § 19 Abs. 1 BetrAVG dar
Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):
Die Parteien streiten um die Gewährung des gesetzlichen 15-%-Zuschusses zur Entgeltumwandlung.
Der Kläger ist bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beidseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag zur Altersversorgung zwischen dem Landesverband Niedersachen und Bremen der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie e.V. und der IG-Metall (TV AV) vom 09.12.2008 Anwendung. Dieser gilt bei der Beklagten seit dem 01.01.2009. Auf Grundlage des TV AV wandelt der Kläger seit 2019 monatlich Entgelt um. Der Tarifvertrag gewährt den Arbeitnehmern, die Entgelt umwandeln, einen zusätzlichen Altersvorsorgegrundbetrag in Höhe des 25-fachen des Facharbeiter-Ecklohns.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger ab dem 01.01.2022 die Zahlung des gesetzlichen Arbeitgeberzuschusses in Höhe von 15 % seines Umwandlungsbetrages gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG. Der Kläger ist der Ansicht, der TV AV sei keine abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG. Der Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Zuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG könne gem. § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht durch eine tarifvertragliche Regelung zur Entgeltumwandlung ausgeschlossen werden, die bereits vor Inkrafttreten der Regelung in § 1a Abs. 1a BetrAVG bestanden habe.
Die Vorinstanzen – zuletzt das Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16. Oktober 2023 (15 Sa 223/23 B) – haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Entscheidung:
Wir berichteten bereits an entsprechender Stelle über die Pressemitteilung des o.g. Urteils. Nun liegt die Urteilsbegründung vor, aus der sich weitere Details ergeben.
Aus der Pressemittelung ging bereits hervor, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Zuschusses gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG hat. Die Auslegung von § 19 Abs. 1 BetrAVG ergebe, dass Regelungen, die von § 1a BetrAVG inkl. des Arbeitgeberzuschusses nach § 1a Abs. 1a BetrAVG abweichen, auch in Tarifverträgen enthalten sein können, die vor dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes am 01.01.2018 geschlossenen wurden. Mit den Regelungen des TV AV liege eine solche von § 1a BetrAVG abweichende Regelung im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrAVG vor.
Das BAG begründet dies vor allem mit dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 BetrAVG. Die Vorschrift lasse unter der gesetzlichen Überschrift „Allgemeine Tariföffnungsklausel“ generell und voraussetzungslos zu, dass „von … § 1a … in Tarifverträgen abgewichen werden (kann)“. Hätte der Gesetzgeber lediglich Tarifverträge erfassen wollen, die nach dem Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes geschlossen wurden, hätte er dies regeln können und müssen. Der Wortlaut setze auch kein „Bewusstsein“ der Tarifvertragsparteien über eine Abweichung voraus.
Auch aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass bereits bestehende, ungünstigere Regelungen in Tarifverträgen gültig bleiben sollen (BT-Drs. 18/12612 S. 28).
Aus der Urteilsbegründung lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass nach Ansicht des BAG auch Tarifverträge, die zwar die Entgeltumwandlung regeln, aber keine Zuschussregelung enthalten, ebenfalls eine zulässige Abweichung im Sinne des Gesetzes darstellen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber lediglich Regelungen in Tarifverträgen zur Entgeltumwandlung privilegieren wollte, die einen geringeren Zuschuss als den in § 1a Abs. 1a BetrAVG geregelten enthalten. Dies wurde aus der Pressemitteilung noch nicht deutlich. Sinn und Zweck der Regelung sei es außerdem, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für bereits bestehende Tarifverträge zur Entgeltumwandlung zu schaffen. Nach Ansicht des BAG konnten sich die Tarifvertragsparteien auch bei schon bestehenden, von § 1a Abs. 1a BetrAVG abweichenden Regelungen bewusst für einen anderen Ausgleich der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile des Arbeitgebers und entsprechenden Nachteile des Arbeitnehmers bei der Entgeltumwandlung entschieden haben.
Hinweis:
Nach § 19 Abs. 3 BetrAVG kann ausschließlich in Tarifverträgen zuungunsten der Arbeitnehmer von den in § 19 Abs. 1 BetrAVG genannten Vorschriften abgewichen werden. D.h. durch Tarifvertrag könnte vorgesehen werden, dass kein Arbeitgeberzuschuss bzw. nur ein Zuschuss von weniger als 15 % gewährt wird; auch könnte sogar geregelt werden, dass eine Entgeltumwandlung nicht zulässig ist.
Durch die Urteilsbegründung ist nun die bislang offene Frage beantwortet, ob auch Tarifverträge zur Entgeltumwandlung, die aus der Zeit vor Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes stammen und keine Zuschussregelung enthalten, eine zulässige Abweichung i.S.d. § 19 Abs. 1 BetrAVG darstellen. Dies ist nach Ansicht des BAG der Fall.
Im März 2025 werden weitere Entscheidungen zum Themenkomplex „15-%-Zuschuss im Zusammenhang mit bestehenden Tarifverträgen“ erwartet. Selbstverständlich werden wir an entsprechender Stelle dazu berichten.
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