Marco Westermann - 21 Sep 2017

EuGH Urteil zur Europarechtskonformität

EuGH Urteil vom 13.07.2017

— C-354/16 (Ute Kleinsteuber/Mars GmbH)

EuGH Urteil zur Europarechtskonformität der ratierlichen Kürzung und der gespaltenen Rentenformel

Ratierliche Kürzung der bAV und gespaltene Rentenformel sind europarechtlich nicht zu beanstanden

Sachverhalt:
Die am 03.04.1965 geborene Klägerin war von 01.01.1990 bis 31.05.2014 als Arbeitnehmerin bei der Beklagten beschäftigt. Der Pensionsplan der Beklagten sieht sinngemäß folgendes vor:

1.Bei Mitarbeitern, die während ihrer anrechnungsfähigen Dienstzeit  (teilweise) teilzeitbeschäftigt waren, wird der Jahresverdienst auf Basis eines Vollzeitbeschäftigten berechnet. Das danach berechnete Jahreseinkommen wird auf die individuelle wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit während der gesamten anrechnungsfähigen Dienstzeit umgerechnet (ratierliche Kürzung) 

2. Oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) der gesetzlichen Rentenversicherung werden 2 % des ruhegeldfähigen Arbeitseinkommens zugunsten der bAV verwendet, unterhalb dieser Grenze 0,6 % (gespaltene Rentenformel).

3. Das ruhegeldfähige Arbeitseinkommen ist der höchste Durchschnittsbetrag des Einkommens, das der Mitarbeiter in drei Kalenderjahren innerhalb der letzten fünf vollen Kalenderjahre seiner anrechnungsfähigen Dienstzeit erzielt hat.

4. Die anrechnungsfähige Dienstzeit ist auf 35 Jahre begrenzt.

Während ihrer Dienstzeit arbeitete die Klägerin teilweise in Teilzeit. Vor Erreichen der Altersgrenze schied die zu diesem Zeitpunkt teilzeitbeschäftigte Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis aus. Mit Vollendung des 55. Lebensjahres hat die Klägerin einen Anspruch auf eine bAV. Die Höhe ihrer bAV wurde unter Berücksichtigung der o.g. Regelungen berechnet. Mit ihrer Klage vor dem Arbeitsgericht Verden beanstandet die Klägerin die Berechnung der Höhe ihrer bAV. Sie ist der Ansicht, ihr stehe eine höhere bAV zu. Ihrer Ansicht nach müsse für Teilzeitbeschäftigte das fiktive Einkommen eines Vollzeitbeschäftigten errechnet und darauf die gespaltene Formel angewendet werden. Erst dann sei eine Reduzierung auf der Basis des Teilzeitbeschäftigungsgrades vorzunehmen. Das Arbeitsgericht setzte den Rechtsstreit aus und legte im Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH sinngemäß folgende Fragen zur Entscheidung vor: 

1. Stehen die unionsrechtliche Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit und die Gleichbehandlungsrichtlinie der gespaltenen Rentenformel sowie der ratierlichen Kürzung entgegen?

2. Stehen die unionsrechtliche Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit und die Gleichbehandlungsrichtlinie einer nationalen Regelung entgegen, die bei der Berechnung der Höhe der bAV eines teilweise in Teilzeit beschäftigten Arbeitnehmers, einen einheitlichen Beschäftigungsgrad für die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses ermittelt?

3. Steht die unionsrechtliche Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie der zeitanteiligen Berechnung aus § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG und einer Höchstbegrenzung der anrechnungsfähigen Dienstzeit entgegen?

Entscheidung:

Der EuGH hat daraufhin mit seinem Urteil vom 13.07.2017 (C-354/16) wie folgt entschieden:

Zu Frage1: 
Sowohl die gespaltene Rentenformel als auch die ratierliche Kürzung sind europarechtskonform.
Die ratierliche Kürzung gemäß dem Pensionsplan führe nicht zu einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Denn die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit eines Arbeitnehmers sei ein objektives Kriterium ohne diskriminierenden Bezug. Somit sei die Umrechnung auf die individuelle Durchschnittsarbeitszeit zulässig.
Auch die gespaltene Rentenformel führe nicht zu einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Ziel der gespaltenen Rentenformel sei es, den jeweils unterschiedlichen Versorgungsbedarf für die oberhalb und unterhalb der BBG liegenden Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen. Oberhalb der BBG liegende Gehaltsbestandteile würden nach deutschem Recht bei der Berechnung der aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlenden Rente nicht berücksichtigt. Unterhalb der BBG liegende Gehaltsbestandteile würden bei der Berechnung der aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlenden Rente hingegen voll berücksichtigt. Die von der Klägerin befürwortete Berechnungsmethode würde zu einer erhöhten bAV führen, da die unterhalb der BBG liegenden Gehaltsbestandteile dann auch mit dem erhöhten Prozentsatz zu berücksichtigen wären. Da diese aber schon in der gesetzlichen Rentenversicherung voll berücksichtigt würden, dürfe der Arbeitgeber diese bei der Berechnung der Höhe der bAV weniger stark berücksichtigen.
Darüber hinaus sei das Ziel der gespaltenen Rentenformel, den jeweils unterschiedlichen Versorgungsbedarf für die oberhalb und unterhalb der BBG liegenden Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen, ein sachlicher Grund, der eine unterschiedliche Behandlung dieser Gehaltsbestandteile rechtfertige.

Zu Frage 2:
Ob die Ermittlung eines einheitlichen Beschäftigungsgrades europarechtskonform ist, ließ der EuGH offen und verwies diese Frage zur weiteren Prüfung zurück an das Arbeitsgericht. 
Europarechtskonformität sei jedenfalls dann zu bejahen, soweit die Berechnung nicht gegen den pro-rata-temporis-Grundsatz verstoße. Dieser besagt, dass dem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer eine bAV in dem Umfang zu gewähren ist, der dem Verhältnis seiner Arbeitszeit zu der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. 

Zu Frage 3: 
Laut EuGH steht die unionsrechtliche Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie der zeitanteiligen Berechnung aus § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG und einer Höchstbegrenzung der anrechnungsfähigen Dienstzeit nicht entgegen.
Zwar führe die Regelung nach § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG dazu, dass Arbeitnehmer, die ihre Betriebszugehörigkeit in jüngeren Jahren zurückgelegt hätten, bei gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit eine geringere bAV hätten, als Arbeitnehmer, die ihre Betriebszugehörigkeit in höheren Jahren erworben hätten. Auch die Höchstbegrenzung anrechnungsfähiger Dienstjahre führe zu einer Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer, deren Eintrittsalter geringer als die Differenz aus einer festen Altersgrenze und einer Höchstbegrenzung sei. Anknüpfungspunkt der Regelungen sei aber nicht das Alter, sondern die Betriebszugehörigkeit. Zwar könne im Einzelfall eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters vorliegen, diese sei aber durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Zum einen solle die Betriebstreue von Arbeitnehmern honoriert werden, zum anderen müssten die unternehmerischen Belange einer überschaubaren und kalkulierbaren Belastung für den Arbeitgeber beachtet werden.

Hinweis:


Wie Frage 2 letztlich zu beantworten sein wird, bleibt abzuwarten. Das Arbeitsgericht Verden hat dies nun unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH zu entscheiden.
Hinsichtlich Frage 3 bestätigt der EuGH die Ansicht des BAG. Dieses hatte bereits mit Urteil vom 19.07.2011 (3 AZR 434/09) entschieden, dass die zeitanteilige Berechnung nach § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG dazu führen könne, dass Arbeitnehmer, die ihre Betriebszugehörigkeit in jüngeren Jahren zurückgelegt haben, bei gleicher Dauer der Betriebszugehörigkeit einen geringeren Anspruch auf eine bAV haben könnten, als Arbeitnehmer, die ihre Betriebszugehörigkeit in höheren Jahren zurückgelegt hätten. Diese zeitanteilige Berechnung verstoße aber nicht gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, denn sie sei durch ein rechtmäßiges Ziel (Gegenleistung für die Betriebstreue) gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels seien angemessen und erforderlich.

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