Marco Westermann - 30 Jun 2025

Großes Gut, große Sorge.

  • Die Herausforderungen für die deutschen Sozialsysteme nehmen zu
  • Generationengerechtigkeit ist in Frage gestellt
  • Reformen erfordern (politischen) Mut
So wie es die Überschrift besagt könnte man die Situation der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland beschreiben. Sie sind eine große soziale Errungenschaft, geben sie doch Millionen von Menschen Sicherheit für den Fall der Arbeitslosigkeit, Krankheit, im Alter und in anderen Lebenssituationen. Doch ihr Zustand gibt auch Anlass zur Sorge.
 
Bereits zu Beginn des vergangenen Jahres wurde an dieser Stelle am Beispiel der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) Reformbedarf angemahnt. Hintergrund ist der demografische Wandel, der die umlagefinanzierte gRV vor erhebliche Herausforderungen stellt. Schon heute sind im Etat des Bundessozialministeriums – das mit rund 180 Mrd. EUR bzw. 36,69 % über den größten Anteil am Gesamthaushalt aller Ministerien verfügt – 133 Mrd. EUR für die Rentenversicherung und für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorgesehen. Damit sind gemäß dem Etatentwurf 2025 der Bundesregierung 27 % des gesamten Bundeshaushaltes in Höhe von 488,6 Mrd. EUR als Zuschuss für die Rentenkasse geplant – Tendenz steigend. Diese Mittel fehlen an anderen Stellen, wie zum Beispiel für Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Infrastruktur etc.
 
Neben den finanziellen Herausforderungen wird von führenden Ökonomen auch kritisiert, dass es zu einer erheblichen Unwucht der Lastenverteilung zwischen den Generationen kommt. So stellt zum Beispiel der „Wirtschaftsweise“ Prof. Werding, Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, in seiner jüngst veröffentlichen Studie „Sozialversicherung in demografischer Schieflage: Steigende Beitragsbelastungen für die junge Generation“ dar, dass die intergenerationelle Umverteilung zwischen Jung und Alt infolge der demographischen Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten deutlich zu Lasten der Jungen zunehmen wird. Er folgert:
„Diese Resultate widersprechen der Vorstellung eines „Generationenvertrages“ mit ausgeglichenen Lasten und Nutzen für alle Beteiligten und gefährden die politische Legitimation der gesetzlichen Sozialversicherungen.“[1]
 
Diese Erkenntnis ist indes nicht neu. Schon 2008 wurde der damalige Bundespräsident Roman Herzog in der „Bild“-Zeitung mit folgenden Worten zitiert:
"Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentnerdemokratie: Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie." Das frühere Staatsoberhaupt ging in der "Bild"-Zeitung noch weiter: "Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern", sagte Herzog[2]
 
Und nicht nur in der gRV ist die Lage angespannt: Auch die Krankenversicherung und die Pflegeversicherung stehen vor erheblichen Finanzierungsproblemen. Auch hier findet in hohem Maße eine intergenerationelle Umverteilung zwischen Jung und Alt statt.
Junge Menschen bereitet die Situation der sozialen Sicherungssysteme und deren Perspektiven Sorgen, wie die aktuelle Jugendstudie der Metallrente belegt. Dabei sind sich junge Menschen sehr bewusst, dass ergänzende Vorsorge erforderlich ist und sie seien auch bereit dazu. Doch viele fühlen sich auch überfordert damit, weil ihnen das nötige Wissen fehlt. Das sollte von Finanzdienstleistern, Versorgungsträgern und vor allem der Politik ernst genommen werden.
 
Betriebliche Altersversorgung (bAV) genießt bei jungen Arbeitnehmern nach der genannten Studie hohes Vertrauen. Sie setzen auf diese Vorsorgeform, besonders wenn es attraktive Zuschüsse des Arbeitgebers gibt. Zudem treffen kapitalmarktnahe Vorsorgekonzepte bei jungen Menschen auf große hohe Akzeptanz.
 
Um der bAV neuen Schub zu verleihen – und dies nicht nur für junge Arbeitnehmer – wären Reformen nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. So wäre es zum Beispiel sehr hilfreich, die starre Vorgabe einer 100 %-igen Bruttobeitragsgarantie bei der Beitragszusage mit Mindestleistung zu senken, um stärker von einer chancenorientierteren Kapitalanlage profitieren zu können. Zahlreiche Vorschläge aus der Praxis für eine Reform liegen vor und einige davon waren sogar schon in den Entwurf eines zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes eingeflossen – der aber mit dem Scheitern der rot-gelb-grünen Koalition nicht weiterverfolgt worden ist.
 
Und in den sozialen Sicherungssystemen? Auch hier ist die Notwendigkeit, Reformen zügig anzugehen, eigentlich offenkundig. Natürlich sind Reformen, die mit Einschnitten verbunden sind, politisch unbequem. Doch Nichtstun löst erfahrungsgemäß selten Probleme. Wenn es unseren europäischen Nachbarn gelingt, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen – so hat z.B. Dänemark jüngst die Regelaltersgrenze für Geburtsjahrgänge ab 1971 auf das Alter 70 (!) erhöht –, warum gelingt in Deutschland seit 25 Jahren keine größere Reform mehr, die die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest und generationengerechter macht? In Deutschland soll gemäß dem Koalitionsvertrag im Jahr 2029 die Entwicklung des Beitrags und des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung evaluiert werden, um „gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen“[3]. Diese Maßnahmen müsste dann aber wohl eine künftige Regierung ergreifen.
 
Und was ist das Fazit für jeden Einzelnen? Das ist recht einfach: Es anders als die Politik machen und Entscheidungen nicht hinausschieben, sondern jetzt handeln – und zwar mit privater oder betrieblicher Vorsorge.
 
Sie möchten in Ihrem Unternehmen eine bAV einrichten oder ein vorhandenes Versorgungswerk anpassen? Unsere Experten stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
 

[1] Prof. Dr. Martin Werding; Ruhr-Universität Bochum: Sozialversicherung in demografischer Schieflage: Steigende Beitragsbelastungen für die junge Generation, S. 3, https://www.wip-pkv.de/veroeffentlichungen/detail/sozialversicherung-in-demografischer-schieflage-steigende-beitragsbelastungen-fuer-die-junge-generation.html

[2] https://www.bild.de/politik/2008/warnt-vor-rentner-demokratie-4239392.bild.html

[3] Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD - 21. Legislaturperiode; Seite 17

Ihr Vorsprung in der bAV. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Neuigkeiten, Wissen und Ratgeber

Abonnieren Sie unseren Newsletter „Betriebsrente AKTUELL"

Anmeldung Newsletter