Marco Westermann - 15 Feb 2016

Minderbeteiligte GGF unterliegen der Sozialversicherungspflicht

BSG-Urteile vom 11.11.2015

(B 12 R 2/14 R, B 12 KR 13/14 R, B 12 KR 10/14 R)

Minderheits-GGF sind regelmäßig abhängig beschäftigt und unterliegen der Sozialversicherungspflicht

Schuldrechtlich getroffene Stimmrechtsvereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages reichen nicht aus, um Minderheits-GGF als Selbständigen zu werten


Statusfälle der Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) sind auch im Sozialversicherungsrecht mitunter komplex zu beantworten. Problematisch sind insbesondere die Fälle, in denen es sich bei dem Geschäftsführer um einen minderbeteiligten GGF handelt, dieser also weniger als 50 % an der Gesellschaft beteiligt ist.

Eine versicherungspflichtige Tätigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV liegt vor, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Die selbständige Tätigkeit ist dagegen durch das eigene Unternehmerrisiko gekennzeichnet sowie eine eigene Betriebsstätte und die Möglichkeit, seine Arbeitskraft frei einzusetzen. Der Geschäftsführer einer GmbH steht grundsätzlich in einem solchen abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Ein solches Beschäftigungsverhältnis wird erst ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer einen rechtlich maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ausüben und hierdurch Einzelanweisungen jederzeit verhindern kann. Eine solche Rechtsmacht muss das Gesellschaftsrecht vermitteln.

Minderheitsgesellschafter von Familiengesellschaften schlossen — um eine Sozialversicherungspflicht zu verhindern — in drei Fällen Stimmrechtsvereinbarungen mit ihren Angehörigen ab, nach welchen beispielsweise nur noch einstimmig ein Beschluss gefasst werden konnte. Hierdurch konnte nun auch der Minderheitsgesellschafter ihm nicht genehme Beschlüsse oder Einzelanweisungen verhindern, da eine Sperrminorität existierte. Das Problem war jedoch, dass die Stimmrechtsbindung nicht in die Gesellschaftsverträge aufgenommen wurde, so dass die Rechtsmacht nicht durch das Gesellschaftsrecht vermittelt wurde, sondern durch das allgemeine Schuldrecht. Und diesem ist immanent, dass entsprechende Vereinbarungen — jedenfalls aus wichtigem Grund — gekündigt bzw. widerrufen werden können.

Die Entscheidungen

Das Bundessozialgericht (BSG) entschied nun im ersten Fall (B 12 KR 13/14 R), dass Stimmrechtsbindungsverträge außerhalb von Gesellschaftsverträgen nicht dazu führen, dass eine abhängige Beschäftigung auszuschließen ist. Der Grund hierfür ist nach Ansicht des BSG darin zu sehen, dass der Stimmrechtsbindungsvertrag von jedem Gesellschafter zumindest aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Darüber hinaus kommt § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Anwendung, nach welchem eine entsprechende ordentliche Kündigung ausreichend ist, wenn der Stimmrechtsbindungsvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen ist. Diese ordentliche Kündigungsmöglichkeit kann nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden, § 723 Abs. 3 BGB. Kann der Stimmrechtsbindungsvertrag jedoch durch den anderen (Mehrheits-) Gesellschafter gekündigt werden, tritt die alte Ordnung in Kraft, nach welcher der Mehrheitsgesellschafter seine Beschlüsse gegen die Minderheitsgesellschafter durchsetzen kann.

Bei dem zweiten Fall (B 12 KR 10/14 R) wurde dem Minderheitsgesellschafter ein Vetorecht außerhalb des Gesellschaftsvertrages eingeräumt. Auch dieses sollte bewirken, dass gegen den Minderheitsgesellschafter keine Beschlüsse getroffen werden konnten. Doch auch diese schuldrechtlich eingeräumte Sperrminorität kann durch eine einseitige Kündigung jederzeit beendet werden, jedenfalls aus wichtigem Grund (§ 626 BGB).

Im dritten Fall (B 12 R 2/14 R) wurden dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer Stimmrechte durch den Mehrheitsgesellschafter übertragen. Dies ist nach Ansicht des BSG schon deswegen unbeachtlich, weil ein Stimmrecht nicht ohne den dazugehörigen Geschäftsanteil übertragen werden darf. Sofern man die Vereinbarung als Stimmrechtsvollmacht auslegen kann, wäre diese jedenfalls nur widerruflich übertragbar. Das bedeutet, dass im Konfliktfall der Mehrheitsgesellschafter sein Stimmrecht wieder an sich ziehen und den Minderheitsgesellschafter überstimmen kann. Eine solche „Schönwetter-Selbständigkeit“ ist sozialversicherungsrechtlich ohne Bedeutung. Auch dass der Minderheits-GGF beispielsweise aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse „Kopf und Seele“ der GmbH war, führt nicht dazu, dass er als Selbständiger anzusehen ist.

Bewertung

Die Entscheidungen des BSG, die bisher nur als Terminberichte vorliegen, werden erhebliche Auswirkungen haben, da Beitragsnachforderungen in nicht unerheblichem Umfange drohen. Grundsätzlich können Beiträge für das laufende sowie die vergangenen vier Kalenderjahre nachgefordert werden. Wurden die Beiträge vorsätzlich vorenthalten, gilt sogar eine 30-jährige Verjährungsfrist. Hinzu kommen die Säumniszuschläge.

Auch die Prüfungen der Sozialversicherungsträger werden die Statusfälle vermehrt aufgreifen. Die Urteile stellen eine verschärfende Konkretisierung der bisherigen Rechtsprechung dar. Rechtssicherheit vermittelt ein Statusfeststellungsverfahren. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei einem Antrag auch ein Bescheid ergehen wird. Und dieser wird nach derzeitiger Sachlage zu erheblichen Nachforderungen führen. Letztlich wird der Geschäftsführer eine Überprüfung durch einen Rechtsanwalt veranlassen müssen, um seinen Pflichten aus § 42 GmbHG nachzukommen.

Um dem Minderheitsgesellschafter eine entsprechende „gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht“ zu vermitteln, müssten die Vereinbarungen Einzug in den Gesellschaftsvertrag finden. Dann könnten sie nicht mehr einseitig durch den Mehrheitsgesellschafter beendet werden. Das wird selten eine ernsthafte Option sein. Denn wird dies ein Mehrheitsgesellschafter machen, so gibt er die Geschicke seiner Gesellschaft unwiderruflich aus der Hand.

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