Anca Enescu - 31 Mai 2023

UPDATE: Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 „Bewertung von rückgedeckten Pensionszusagen – aktueller Stand und Praxiserfahrungen“

  • Aktueller Stand und Praxiserfahrungen zum IDW-Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021
  • Fachaufsatz von Henckel/Meyer/Peun/Roß in WPg 19.2022, S. 1088 ff. beantwortet offene Fragen
  • Kommentierung von Thomas Hagemann in DER BETRIEB Nr. 04 vom 23.01.2023 S. 145 ff.

Der IDW-Hinweis IDW RH FAB 1.021 brachte im April 2021 tiefgreifende Änderungen für die handelsbilanzielle Bewertung von Pensionszusagen (PZ), falls diese mittels Rückdeckungsversicherungen (RDV) finanziert werden: Gleichlaufende Zahlungsströme der zugesagten und versicherten Leistungen müssen identifiziert und mit den gleichen Parametern bewertet werden (kongruente Bewertung).

Der DAV-Ergebnisbericht zur praktischen Umsetzung des IDW RH FAB 1.021 gab im April 2022 eine Anleitung für die aktuarielle Umsetzung in der Praxis, eröffnete jedoch gleichzeitig Spielraum für die Auslegung, die aktuarielle Beurteilung und Einschätzung der Sachlage sowie für die Wahl und Modellierung der wesentlichen Größen, die zur Bewertung herangezogen werden.

Ergänzend zu unseren früheren Erläuterungen zum Thema vom 29. Oktober 2021 und vom 29. Juni 2022 auf unserer Homepage und in unserem Newsletter, möchten wir mit diesem Beitrag über den aktuellen Stand informieren und die Praxiserfahrungen aus dem vergangenen Jahr schildern.

Inwieweit ist die Anwendung des IDW RH FAB 1.021 verpflichtend

Die Umsetzung des IDW RH FAB 1.021 stellt auch ein Jahr nach der Veröffentlichung des DAV- Ergebnisberichtes die Praxis vor große Herausforderungen: Einerseits führt die Datenbeschaffung zu Verzögerungen, andererseits entsteht durch die Komplexität, die i.d.R. eine Einzelfallprüfung erfordert, erheblicher Zusatzaufwand. Demzufolge ist davon auszugehen, dass die kongruente Bewertung gem. IDW RH FAB 1.021 nicht nur bei der Erstanwendung, sondern auch in den Folgejahren für die Gutachter und die Firmen mit einer zusätzlichen Belastung verbunden sein wird.

Bedenkt man ferner, dass IDW RH FAB 1.021 als „IDW-Rechnungslegungshinweis“ und nicht als „IDW-Stellungnahme zur Rechnungslegung“ veröffentlicht wurde, stellt sich die Frage, inwieweit die Anwendung verpflichtend ist, immer wieder neu.

Der Fachexperte Thomas Hagemann vertritt z.B. in seinem Artikel „Die neue Bewertung rückgedeckter Pensionszusagen nach IDW RH FAB 1.021 – Kritik nicht ausgeräumt, Folgefragen aber beantwortet“ (DER BETRIEB Nr. 04 vom 23.01.2023) die Meinung, dass angesichts des unzureichenden Fundaments und der bisher nicht ausgeräumten Kritik eine Anwendung nicht zwingend sei. Gleichwohl sei zu erwarten, dass der Rechnungslegungshinweis in der Praxis angewendet wird.

Grundsätzlich sollte eine Bewertung gem. IDW RH FAB 1.021 dann erfolgen, wenn dadurch sinnvollere Bilanzergebnisse erzielt werden. Das ist dann der Fall, wenn eine realistischere Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erreicht werden kann. Damit wird dem Vorsichtsprinzip ausreichend Rechnung getragen.

Diese Meinung wurde bei der DAV-Jahrestagung im April 2023 bestätigt: Der IDW RH FAB 1.021 findet weitestgehend Zustimmung, obgleich zahlreiche Fragen noch ungeklärt und viele Einschränkungen zu beachten sind. Der Sinn der Regelung – die Bilanzneutralität kongruent rückgedeckter Altersversorgungsverpflichtungen – sei in den Vordergrund zu stellen; die Details der Umsetzung treten dabei in den Hintergrund.

Wesentliche Einflussgrößen bei der Bewertung gem. IDW RH FAB 1.021 –
Zins und Inflation – aktuelle Tendenzen

Um der langanhaltenden Niedrigzinsphase (sog. Zinsschmelze) entgegenzuwirken und die Unternehmen zu entlasten, hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie die Verwendung eines Durchschnittszinses der vergangenen 10 Jahre (statt des 7-Jahres-Durchschnitts) für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen vorgeschrieben. Darüber hinaus sollte der IDW RH FAB 1.021 die bilanzierenden Unternehmen zusätzlich entlasten.

Seit Mitte 2022 erhöhte nun die Europäische Zentralbank schrittweise den Leitzins von 0 auf aktuell 3,75 % (Stand Mai 2023). Damit ging eine erhebliche Steigerung der Zinsen einher; das Tal des Niedrigzinses scheint überwunden. Infolgedessen wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 2024 der 10-Jahres-Durchschnittszins den 7-Jahres-Durchschnittszins übersteigen. Die Durchschnittsverzinsung der Kapitalanlagen der Lebensversicherer wird zwar langfristig an diesen Zinssteigerungen partizipieren. Allerdings wird sich dieser Effekt erst verzögert einstellen. Zusammengefasst ist zu befürchten, dass die umgesetzten Maßnahmen zur Entlastung der deutschen Unternehmen verpuffen oder sogar in eine zusätzliche Belastung umschlagen.

Eine zusätzliche Belastung der Unternehmen wird sich auch daraus ergeben, dass infolge der stark gestiegenen Inflation mit steigenden Betriebsrentenansprüchen infolge von Rentenanpassungen und höheren Gehaltsentwicklungserwartungen gerechnet werden muss.

Ferner ist zu beachten, dass Lebensversicherer aufgrund von Risikozuschlägen i.d.R. mit erheblich größeren Lebenserwartungen kalkulieren als dies bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen vor Anwendung des IDW RH FAB 1.021 der Fall war. Dies kann dazu führen, dass mit dem Übergang auf die neue Bewertungsmethodik – insbesondere bei älteren Versorgungsberechtigten – oftmals ein erheblicher Anstieg der Pensionsrückstellungen verbunden ist. Bei jüngeren Versorgungsanwärtern ist im Umstellungsjahr hingegen tendenziell mit einer Bilanzentlastung zu rechnen. Um die bilanzielle Auswirkung der Umstellung abzuschätzen, ist aber letzten Endes immer eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Eine allgemeine Aussage über die Auswirkung lässt sich nicht treffen.

Schließlich ist darauf zu achten, dass die kongruente Bewertung nicht zu einem nicht mehr vertretbaren Gewinn des Unternehmens führt. Man beachte, dass z.B. durch die angesetzte Gesamtverzinsungserwartung noch nicht realisierte zukünftige Gewinne in die Bilanz eingehen können, was vor dem Hintergrund des Vorsichtsprinzips problematisch erscheint.

Kongruente Bewertung – Bilanzierungsmethoden und Bewertungsverfahren

Der IDW RH FAB 1.021 führt für (teilweise) nicht-versicherungsgebundene und rückgedeckte Versorgungszusagen ein Bilanzierungswahlrecht zwischen „Aktivprimat“ und „Passivprimat“ ein. Die Ausübung dieses Wahlrechts entscheidet darüber, ob für den kongruenten Teil die Aktivseite oder die Passivseite maßgeblich ist. Folgendes ist zu berücksichtigen:

  • Beim Aktivprimat erfolgt die Bewertung der Pensionsrückstellung für den kongruenten Teil mit dem Aktivwert der Rückdeckungsversicherung, somit nicht nach § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB. Hiernach wären Pensionsrückstellungen mit einem Zehn-Jahres-Durchschnittszins abzuzinsen. „Diese Vorschrift ist sehr klar formuliert und lässt nicht viel Raum für Auslegung“, schreibt Thomas Hagemann in seinem Artikel.
 
  • Beim Passivprimat können die Pensionsverpflichtungen unverändert wie bisher bewertet werden. In diesem Fall erfolgt die Anpassung auf der Aktivseite: Die RDV wird nicht mehr wie bisher mit dem Aktivwert, sondern mit einem „modifizierten Aktivwert“, der vom Gutachter ermittelt wird, angesetzt.

Ergänzend hierzu werden im DAV-Ergebnisbericht zur Hilfestellung zwei faktorbasierte Bewertungsverfahren – „Deckungskapitalverfahren“ und „Erfüllungsbetragsverfahren“ – beschrieben. Die Wahl des Bewertungsverfahrens entscheidet über die Rechnungsgrundlagen, die zur Bewertung herangezogen werden, die der Aktivseite oder die der Passivseite.

  • Das Deckungskapitalverfahren (Bewertung der Pensionsverpflichtung mit den Versicherungsprämissen) hat den Vorteil, dass es regelmäßig mit den Daten auskommt, die standardmäßig vom Lebensversicherer geliefert werden. Gleichzeitig stellt es den Aktuar/Gutachter bei der Wahl und Schätzung der Dynamikerwartungen – Rentenanpassungen und Überschussbeteiligung des Lebensversicherers – vor große Herausforderungen.

  • Das spiegelbildliche Erfüllungsbetragsverfahren (Bewertung der RDV mit HGB-Prämissen) wird zwar i.d.R. genauere Ergebnisse liefern, setzt aber voraus, dass die zum Stichtag finanzierten Leistungen aus der RDV explizit vorliegen. In der Praxis wird der Lebensversicherer diese Daten nur schwerlich zur Verfügung stellen können. Dies führt dazu, dass dieses Verfahren nur bei bereits laufenden Leistungen praktikabel ist.

Aktuelle Überlegungen und Ausblick

Eine Revision des IDW RH FAB 1.021 ist aktuell nicht zu erwarten und wurde generell als nicht notwendig erachtet. Hinsichtlich des DAV-Ergebnisberichts in der Fassung vom 26. April 2022 wurden keine Änderungswünsche geäußert und sind ebenfalls zurzeit nicht zu erwarten.

Der Ergebnisbericht wurde von der IDW-Arbeitsgruppe als wichtige Hilfestellung begrüßt. Von der Anwendbarkeit kann also regelmäßig ausgegangen werden.

Henckel/Meyer/Peun/Roß legen (in WPg 19.2022, S. 1088 ff) dar, dass den Ausführungen des IDW RH FAB 1.021 zur kongruenten Bewertung nicht-versicherungsgebundener Zusagen das Leitbild einer Versicherung mit garantierten Leistungen zu Grunde liegt. Der Ausschluss der fonds- oder indexgebundenen RDV, die keine oder nur in geringem Maße Garantien enthalten, aus dem Anwendungsbereich des RH wird zunächst als sachgerecht erachtet. Ab Fälligkeit, falls die Ansprüche in eine weitestgehend garantierte lebenslange Rente umgerechnet werden, hat dann allerdings möglicherweise eine (teilweise) kongruente Bewertung zu erfolgen.

Aktuell wird nun überlegt, inwieweit auch fonds- bzw. indexgebundene RDV in den Anwendungsbereich der IDW RH FAB 1.021 aufgenommen werden können. Zumal von den modernen Versicherungstarifen eine überdurchschnittlich erfolgreiche Kapitalanlage erwartet wird.

Ausführliche Informationen finden Sie auch in unserem Fachartikel.

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