BAG-Rechtsprechung zur Wirksamkeit von Widerrufsvorbehalten
Pflichtverletzungen des ArbN berechtigen den ArbG nur zur Verweigerung von Versorgungsleistungen, wenn die Berufung auf die Versorgungszusage rechtsmissbräuchlich ist.
Vertraglicher Widerrufsvorbehalt ist regelmäßig nur als deklaratorischer Hinweis auf den Rechtsmissbrauchseinwand zu verstehen.
Eine außerordentliche Kündigung reicht zur Begründung des Rechtsmissbrauchseinwands nicht aus.
Mit Urteil vom 17.06.2014 (3 AZR 412/13) entschied das BAG über die Wirksamkeit der Widerrufsvorbehalte einer Versorgungszusage.
Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)
Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer, der seit 1968 bei ihm beschäftigt war, eine Versorgungszusage über eine monatliche Altersleistung erteilt. Diese erhielt den Vorbehalt: „Das Unternehmen behält sich vor, die zugesagten Versorgungsleistungen zu ändern, zu kürzen oder einzustellen, wenn der Mitarbeiter oder Leistungsempfänger Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden."
Im Jahr 1986 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich und behielt sich zivil- und strafrechtliche Schritte vor. Im Jahr 2008 beantragte der Arbeitnehmer Zahlung der Altersleistung. Der ehemalige Arbeitgeber verweigerte die Zahlung unter Berufung auf den Widerrufsvorbehalt und den vereinbarten Verzicht auf gegenseitige Ansprüche. Die Klage auf Zahlung der monatlichen Altersrente hatte vor dem BAG Erfolg.
Entscheidung
Das BAG erklärte, dass wegen des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung und des besonderen Schutzbedürfnisses des Versprechensempfängers eine Versagung von Versorgungsleistungen wegen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nach ständiger Rechtsprechung nur in Betracht kommt, wenn die Berufung des Versorgungsberechtigten auf die Versorgungszusage dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt ist (vgl. zuletzt BAG 12.11.2013 - 3 AZR 274/12 - Rn. 26; 13.11.2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 30, BAGE 143, 273). Deshalb kann sich der Arbeitgeber trotz eines Widerrufsvorbehalts von der dem Arbeitnehmer erteilten Versorgungszusage wegen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nur dann „lösen“ und die Leistung verweigern, wenn das Versorgungsverlangen des Arbeitnehmers rechtsmissbräuchlich ist. Ein weitergehender vertraglicher Widerrufsvorbehalt ist regelmäßig nur als deklaratorischer Hinweis auf den Rechtsmissbrauchseinwand zu verstehen (vgl. etwa BAG 03.04.1990 - 3 AZR 211/89).
Das BAG nannte zwei Konstellationen, in denen ein Rechtsmissbrauch vorliegen kann:
Wenn der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeit seiner Versorgungsanwartschaft nur durch Vertuschung schwerer Verfehlungen erschlichen hat.
Das ist anzunehmen, wenn eine rechtzeitige Entdeckung derartiger Verfehlungen zur fristlosen Kündigung geführt hätte, bevor die Versorgungsanwartschaft unverfallbar wurde und der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch die Vertuschung des Fehlverhaltens daran gehindert hat, noch vor Eintritt der Unverfallbarkeit zu kündigen (BAG 13.11.2012 - 3 AZR 444/10 - Rn. 47, BAGE 143, 273).
Wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch grobes Fehlverhalten einen nicht behebbaren, existenzvernichtenden Schaden zugefügt hat.
Allein ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung – selbst eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers – reicht zur Begründung des Rechtsmissbrauchseinwands nicht aus.
Da der ehemalige Arbeitgeber das Vorliegen einer solchen Konstellation nicht beweisen konnte, konnte er die Versorgungszusage – trotz Widerrufsvorbehalt – nicht widerrufen.
Fazit
Das BAG hat erneut erklärt, dass der Arbeitgeber eine Versorgungszusage nur unter sehr strengen Voraussetzungen widerrufen kann. Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung, dass die Berufung auf die Zusage rechtsmissbräuchlich ist. Hintergrund ist, dass die bAV insoweit eindeutigen Entgeltcharakter hat und die anteilige Arbeitsleistung für den entsprechenden Versorgungsanspruch bereits abgeleistet wurde.