BAG-Urteil zur gespaltenen Rentenformel
BAG-Urteil vom 23.04.2013 -3 AZR 475/11-
Kehrtwende des Bundesarbeitsgericht zur bisherigen Rechtsprechung aus 2009
Anspruch auf höhere Betriebsrente wegen des BBG-Sprungs zum 01.01.2003 allenfalls bei Störung der Geschäftsgrundlage
Das BAG hat mit Urteil vom 23.04.2013 (3 AZR 475/11) seine Rechtsprechung aus 2009 zur gespaltenen Rentenformel wieder aufgegeben.
Versorgungszusagen mit "gespaltener Rentenformel" sind gehaltsabhängig und bewerten die Gehaltsteile oberhalb der BBG der gesetzlichen Rentenversicherung in der Regel höher als diejenigen Gehaltsteile unterhalb der BBG. Zum 01.01.2003 wurde die BBG zur Finanzierung der gesetzlichen Sozialversicherung außergewöhnlich hoch angehoben (500 €). Dadurch verkleinerte sich der Gehaltsteil oberhalb der BBG entsprechend und führte damit zu geringeren Versorgungsansprüchen der Versorgungsberechtigten.
Das BAG hatte daraufhin am 21.04.2009 in mehreren Urteilen entschieden, dass diese Versorgungszusagen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen seien, dass weiterhin auf die alten Grundsätze für die Ermittlung der BBG abzustellen sei. Der 500 €-Sprung wurde daher bei der für die Versorgungsregelung maßgeblichen BBG herausgerechnet. Gegenzurechnen sei jedoch der gesetzliche Rentenvorteil, den die Begünstigten aus der starken BBG-Anhebung erhalten haben.
Diese stark kritisierte Rechtsprechung aus 2009 hat das BAG nun wieder aufgegeben. Die Pressemitteilung vom 23.04.2013 ist sehr deutlich formuliert:
Eine vor dem 01.01.2003 getroffene Versorgungsvereinbarung, die für den Teil des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der BBG RV höhere Leistungen vorsieht als für den darunter liegenden Teil (sog. "gespaltene Rentenformel") ist nach der außerplanmäßigen Anhebung der BBG in der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.2003 nicht ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Betriebsrente so zu berechnen ist, als wäre die außerplanmäßige Anhebung der BBG nicht erfolgt. An der gegenteiligen Rechtsprechung aus den Urteilen vom 21.04.2009 (3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08) hält der Senat nicht fest. Ein Anspruch auf eine höhere Betriebsrente wegen der außerordentlichen Anhebung der BBG zum 01.01.2003 kann sich allenfalls nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage ergeben.
Eine Störung der Geschäftsgrundlage führt nur dann zu einer Anpassung des Vertragsinhalts, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. In anderen Konstellationen hat das BAG eine Störung bei 50% (gestiegener Aufwand des Arbeitgebers bei Gesamtversorgungssystemen durch sinkende gesetzliche Rente) oder 40% (Anpassungsrechtsprechung) angenommen. Ein Anspruch auf eine höhere Betriebsrente dürfte damit regelmäßig nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen.
Inwieweit Arbeitgeber, die bereits auf die Rechtsprechung aus 2009 reagiert haben (durch bilanzielle Berücksichtigung oder durch Anpassung der Versorgungsregelungen), die Maßnahmen wieder rückgängig machen können, kann nur im jeweiligen Einzelfall zuverlässig beurteilt werden.