BAG zur Berechnung der Betriebsrente vor Anhebung der Regelaltersgrenze
- Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 21.11.2023 – 3 AZR 1/23
- Die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unberücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Anhebung der Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Sachverhalt (vereinfacht dargestellt):
Die Parteien streiten um die Höhe der betrieblichen Altersrente.
Der ehemalige Arbeitnehmer (= Kläger) war von 1981 bis 1998 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Kläger wurde seitens der Beklagten u.a. eine betriebliche Altersrente zugesagt. Mit Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bescheinigte die Beklagte dem ehemaligen Arbeitnehmer einen unverfallbaren Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die künftige Versorgungsleistung wurde dabei, wie in der Versorgungszusage geregelt, im Verhältnis der tatsächlichen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erreichbaren Betriebszugehörigkeit berechnet. Seit April 2018 bezieht der Kläger eine gesetzliche Altersrente für langjährig Versicherte sowie eine vorgezogene betriebliche Altersrente. Letztere wurde in geringerer Höhe gewährt, als zunächst bescheinigt. Grund dafür war, dass die Beklagte nun bei der erreichbaren Betriebszugehörigkeit auf die Altersgrenze abstellte, die durch das Gesetz zur Anhebung der Regelaltersgrenze („RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz“) zum 01.01.2008 eingeführt wurde. Beim Kläger lag diese Altersgrenze bei 65 Jahren und 9 Monaten. Zudem wurde bei der Berechnung der betrieblichen Altersrente auch die anrechenbare fiktive gesetzliche Rente auf Grundlage der angehobenen Regelaltersgrenze berechnet. Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze wurde hingegen – wie bei anderen vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern – nicht vorgenommen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die zunächst bescheinigte höhere betriebliche Altersrente.
Der Kläger ist der Ansicht, aufgrund seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes, sei für die Berechnung seiner Altersrente die zum Ausscheidenszeitpunkt geltende Regelaltersgrenze von 65 Jahren zu berücksichtigen. Dies gelte auch für die Berechnung der anrechenbaren fiktiven gesetzlichen Rente.
Die Beklagte hingegen vertritt die Ansicht, die Regelung in der Versorgungszusage sei dahingehend auszulegen, dass für die Berechnung der Betriebsrente, die durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz angehobene Altersgrenze maßgeblich sei. Zumindest müsse aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme aber ein versicherungsmathematischer Abschlag vorgenommen werden.
Die Vorinstanzen – zuletzt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2022 (6 Sa 333/22) – haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Entscheidung:
Das BAG entschied, dass der Kläger einen Anspruch auf die zunächst bescheinigte höhere betriebliche Altersrente hat. Die Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft des Klägers richtet sich nach §§ 2, 2a BetrAVG. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 BetrAVG hat bei Eintritt des Versorgungsfalls wegen Erreichens der Altersgrenze ein vorher mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschiedener Arbeitnehmer einen Anspruch mindestens in Höhe des Teiles der ohne das vorherige Ausscheiden zustehenden Leistung (= Vollrente), der dem Verhältnis der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu der Zeit vom Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. einer in der Versorgungsregelung vorgesehenen festen Altersgrenze entspricht (= zeitratierliche Berechnung). Gemäß § 2a Abs. 1 BetrAVG sind bei der Berechnung dieses Teilanspruchs eines mit unverfallbarer Anwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmers die Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen im Zeitpunkt des Ausscheidens zugrunde zu legen; Veränderungen, die nach dem Ausscheiden eintreten, bleiben außer Betracht (= Veränderungssperre und Festschreibeeffekt). Zunächst müsse die erreichbare fiktive Vollrente berechnet werden. Grundlage dafür seien die bei Ausscheiden geltende Versorgungsregelung und die Bemessungsgrundlagen, hochgerechnet auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls. Bei der Berechnung der anrechenbaren fiktiven gesetzlichen Rente sei auf die bei Ausscheiden des Klägers festgelegte Altersgrenze von 65 Jahren abzustellen. Die Anhebung der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt nach Ansicht des BAG bei der Berechnung der unverfallbaren Anwartschaft unberücksichtigt, da der Kläger vor Inkrafttreten des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Zwar seien Versorgungsregelungen, die auf das 65. Lebensjahr verweisen, regelmäßig dahingehend auszulegen, dass auf die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung Bezug genommen wird (BAG, Urteil vom 15.05.2012 – 3 AZR 11/10 und 13.01.2015 – 3 AZR 897/12). Wegen des Festschreibeeffekts des § 2a BetrAVG sei die angehobene Altersgrenze aber unbeachtlich, wenn ein Arbeitnehmer vor der gesetzlichen Anhebung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist.
Ein versicherungsmathematischer Abschlag wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der betrieblichen Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sei ebenfalls nicht vorzunehmen, da dieser weder in der Versorgungsregelung festgeschrieben war, noch bei anderen vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern vorgenommen wurde.
Hinweis:
Das BAG bestätigt mit dem zugrundeliegenden Urteil seine bisherige Rechtsprechung zu § 2a Abs. 1 BetrAVG bzgl. der bei der Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft anzuwendenden Veränderungssperre und des Festschreibeeffekts (BAG, Urteil vom 02.12.2021 – 3 AZR 212/21). Für die Praxis ergeben sich damit keine Neuerungen.
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Gesetzliche Rentenversicherung – Beitrag im DATEV magazin