Marco Westermann - 5 Jul 2016

BGH-Urteil zur Kündigungserklärung einer Direktversicherung

Urteil vom 8.6.2016, IV ZR 346/15

Die Kündigung einer Direktversicherung ist im Fall einer gegen § 3 BetrAVG verstoßenden Abfindungsvereinbarung unzulässig.

Nur der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer - nicht der Arbeitnehmer - ist berechtigt, die Kündigung der Direktversicherung zu erklären.

Sachverhalt

Die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers hatte im Jahr 1994 für diesen bei der beklagten Lebensversicherung eine Direktversicherung für den Kläger abgeschlossen. Dieser wurde unwiderruflich als Bezugsberechtigter bestimmt. Als Versicherungsablauf wurde November 2017 vereinbart.

Im Juli 2013 verlangte der Kläger von der Beklagten wegen langjähriger Krankheit und einer daraus resultierenden wirtschaftlichen Notlage die Auszahlung der Versicherungssumme zum Jahresende. Die Arbeitgeberin erklärte in demselben Schreiben zunächst ihr Einverständnis zu der Kündigung. Die beklagte Lebensversicherung bestätigte diese daraufhin. Nachdem die Arbeitgeberin im Oktober 2013 der Kündigung plötzlich widersprochen hatte, teilte die Beklagte ihr und dem Kläger mit, dass die Versicherung nun fortgeführt werde.

Zum Jahreswechsel 2013/2014 erklärte die Arbeitgeberin erneut die Kündigung des Versicherungsvertrages. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck wurde sie schließlich im Januar 2014 auf Antrag des Klägers zur Kündigung des Lebensversicherungsvertrages verurteilt. Kurz darauf kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis fristlos. Nachdem die Arbeitgeberin die Beklagte über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert hatte, verweigerte diese die Auszahlung des Rückkaufswertes.

Das Landgericht wies die Klage auf Zahlung des Rückkaufswerts ab; das Oberlandesgericht (OLG) gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der Bundesgerichtshof (BGH) das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Entscheidungsgründe

Zunächst bestätigte der BGH, dass § 2 Abs. 2 S. 5 BetrAVG einer Auszahlung des Rückkaufswerts aufgrund der Kündigung der Direktversicherung nicht entgegensteht. Die Vorschrift schließe eine Inanspruchnahme des Rückkaufswerts aus, wenn die Kündigungserklärung dem Versicherer erst nach Ausscheiden des versicherten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis zugehe. Erhalte der Versicherer die vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer erklärte Kündigung dagegen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses, stehe die Vorschrift einer späteren Auszahlung des Rückkaufswerts auch an den inzwischen ausgeschiedenen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht im Wege.

Der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Versorgungsanwartschaft - hier des Rückkaufswertes - sei allerdings ausgeschlossen, wenn sie auf einer nach § 3 Abs. 1 BetrAVG unzulässigen Abfindungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin beruhte. Nach § 3 Abs. 1 BetrAVG dürfe eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft nämlich nur unter den Voraussetzungen der vorliegend nicht einschlägigen weiteren Absätze dieser Vorschrift abgefunden werden. Eine hiervon abweichende Abfindungsregelung sei gem. § 134 BGB nichtig. Das Verbot erfasse nicht nur die Vereinbarung der Abfindung als Grundgeschäft, sondern auch das Erfüllungsgeschäft. Der Versicherer ist daher nicht zur Auszahlung des Rückkaufswerts verpflichtet, wenn die Inanspruchnahme der Leistung auf einer verbotswidrigen Abfindungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht.

Da nach Auffassung des BGH nicht hinreichend geklärt war, ob die Kündigung des Versicherungsvertrages auf einer unzulässigen Abfindungsvereinbarung, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der kurz darauf erfolgten Kündigung des Arbeitsverhältnisses beruhte, verwies es die Sache zur Klärung an das OLG zurück.

Praxishinweis

Die Konstellation ist ein wenig ungewöhnlich, weil unmittelbar der Versicherer, und nicht der Arbeitgeber, auf Auszahlung des Rückkaufswertes verklagt wird. Dies führt dazu, dass das Verfahren auf dem Zivilrechtsweg geführt wird, obwohl die entscheidende und inzident zu prüfende Frage, ob die Vereinbarung zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer wegen der Nähe zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 BetrAVG darstellt, arbeitsrechtlicher Natur ist.

Das Urteil verdeutlicht, dass auch für den Versicherer das arbeitsrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer von Bedeutung ist. Wird eine Direktversicherung gekündigt, kann dies zunächst nur durch die Arbeitgeberin als Versicherungsnehmerin erfolgen. Dabei können allerdings Formulierungen wie “Zustimmung zur Kündigung“, “Einwilligung zur Kündigung“ oder ähnliche Erklärungen der Arbeitgeberin, die der Arbeitnehmer seinem Auszahlungsverlangen beifügt, als Kündigungserklärung der Arbeitgeberin auszulegen sein. Da der Versicherer regelmäßig nicht beurteilen kann, ob eine sachliche oder zeitliche Nähe zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegt, sollte ggf. beim Arbeitgeber erfragt werden, ob eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses geplant ist oder bevor steht. Eine Auszahlung sollte dann nicht erfolgen.

Alle Artikel zum Thema BGH

Ihr Vorsprung in der bAV. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Neuigkeiten, Wissen und Ratgeber

Abonnieren Sie unseren Newsletter „Betriebsrente AKTUELL"

Anmeldung Newsletter