Privatinsolvenz & Lohnpfändung: Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung
- Anzahl der Privatinsolvenzen leicht steigend
- bAV grundsätzlich auch bei Lohnpfändung möglich
- Insolvenzschutz einer bAV-Anwartschaft ist abhängig vom Durchführungsweg
Die Anzahl der Privatinsolvenzen ist in 2023 leicht zum Vorjahr gestiegen. So haben laut Erhebungen des statistischen Bundesamts in 2023 rund 66.200 Privatpersonen in Deutschland das vereinfachte Insolvenzverfahren zur Abwicklung ihrer Zahlungsunfähigkeit angemeldet.
Oft stellt sich in diesem Kontext die Frage, welche Auswirkungen sich auf eine betriebliche Altersversorgung (bAV) ergeben. Kann der Arbeitnehmende seine bestehende Entgeltumwandung fortsetzen, oder auch nach Beginn einer Lohnpfändung eine Entgeltumwandlung neu einrichten? Wie sind betriebliche Versorgungsanwartschaften im Fall einer Privatinsolvenz zu bewerten.
Auswirkungen einer bAV auf das pfändbare Einkommen
Inwieweit die Einrichtung einer bAV mögliche Auswirkungen auf das pfändbare Einkommen hat, hängt von der Finanzierungsform bzw. dem Zeitpunkt der erstmaligen Dotierung ab. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:
- Vereinbarung der Entgeltumwandlung vor Beantragung der Privatinsolvenz bzw. Beginn der Lohnpfändung
Wandelt der Arbeitnehmende (ArbN) Teile seines Arbeitsentgelts bereits vor Beginn der Lohnpfändung bzw. vor Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens um, wird i.d.R. nur das durch die Entgeltumwandlung reduzierte Gehalt berücksichtigt. Dies gilt zumindest im Rahmen der Dotierungsgrenzen des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG (max. 4% der Renten-BBG). Die Entgeltumwandlung (EUW) kann somit auch in der Privatinsolvenz bzw. bei Lohnpfändung fortgeführt werden.
Vorsicht: Wird die EUW-Vereinbarung zeitnah vor der Beantragung des Insolvenzverfahrens bzw. Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgeschlossen oder eine bestehende Vereinbarung erhöht, besteht die Gefahr, dass die getroffene Vereinbarung vom Insolvenzverwalter nicht akzeptiert wird, insbesondere wenn die EUW der Höhe nach den Rechtsanspruch gem. § 1a BetrAVG übersteigt. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter in der Anwartschaftsphase keine Zugriffsmöglichkeit. - Vereinbarung der Entgeltumwandlung nach Beantragung der Privatinsolvenz bzw. Beginn der Lohnpfändung
Besteht die Lohnpfändung bereits oder ist das Insolvenzverfahren schon eröffnet, kann das Gericht durch Beschluss Sicherungsmaßnahmen treffen, um eine Vermögensminderung des ArbN zu Lasten seiner Gläubiger zu vermeiden. Dies kann auch die Vereinbarung einer Entgeltumwandlung betreffen. Mit Urteil vom 14.10.2021 (8 AZR 96/20) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch entschieden, dass eine gem. § 1a BetrAVG durchgeführte EUW (max. 4% der Renten-BBG) grundsätzlich kein pfändbares Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO darstellt, da lediglich ein Rechtsanspruch umgesetzt wird. Dies gilt laut BAG auch dann, wenn die EUW-Vereinbarung erst nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses getroffen wird. Im Rahmen des nicht pfändbaren Teils des Einkommens ist eine EUW-Vereinbarung darüber hinaus zulässig. Der Abschluss einer EUW ist grundsätzlich mit dem Treuhänder abzustimmen. - Arbeitgeberfinanzierte bAV-Beiträge
Eine Arbeitgeber-finanzierte bAV hat im Insolvenzverfahren bzw. bei Lohnpfändung keine Auswirkungen auf das pfändbare Arbeitseinkommen. Eine Arbeitgeber-finanzierte bAV ist auch nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und während des Restschuldbefreiungsverfahrens möglich. Vorsicht: Umgehende Lohngestaltungsmodelle sind kritisch und gefährden die Restschuldbefreiung.
Behandlung von bAV-Versorgungsanwartschaften in der Privatinsolvenz bzw. bei Lohnpfändung
Grundsätzlich gilt: Damit ein Schuldner sich und seine Familie weiterhin unterhalten kann, ist sein Arbeitseinkommen nur bedingt pfändbar. Die Grenze ergibt sich aus § 850c ZPO. Seit 01.07.2023 beträgt der unpfändbare Grundbetrag 1.402,28 Euro monatlich und erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind. Verdient der Schuldner mehr als den pfändungsfreien Betrag, verbleibt ihm vom Mehrbetrag ebenfalls ein bestimmter Anteil erhalten. Dies gilt bis zum maximal pfändungsfreien Betrag von 4.298,81 Euro (vgl. Pfändungsfreigrenzen-Tabellen). Übersteigende Einkommensbeträge sind voll pfändbar.
- Fällige Versorgungsleistungen
Fällige Versorgungsleistungen können grundsätzlich gepfändet werden. Im Falle der Pfändung gelten die eingangs beschriebenen Pfändungsfreigrenzen. - Bestehende betriebliche Versorgungsanwartschaften
Der Insolvenzschutz einer bAV-Anwartschaft ist nach Durchführungsweg differenziert zu bewerten.
Direktversicherung
Grundsätzlich sind Anwartschaften aus einer Direktversicherung des Schuldners bei Privatinsolvenz geschützt, da der Versorgungsberechtigte als versicherte Person nicht kündigungsberechtigt ist. Somit kann auch der Insolvenzverwalter des Versorgungsberechtigten den Vertrag nicht kündigen und für die Masse verwerten. Der Insolvenzverwalter bzw. das Insolvenzgericht können jedoch die sogenannte Nachtragsverteilung beantragen bzw. anordnen.
Soweit nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters im Rahmen der sog. versicherungsvertraglichen Lösung eine Übertragung der Versicherungsnehmer-Stellung erfolgte, kann zwar der Insolvenzverwalter die Direktversicherung kündigen. Aufgrund der Verfügungsbeschränkungen nach § 2 Abs. 2 Sätze 4-6 BetrAVG wandelt sich die Direktversicherung jedoch in eine prämienfreie Versicherung um, soweit diese auf Prämien des früheren Arbeitgebers beruhte; nur hinsichtlich des ggf. privat fortgeführten Teils kommt also eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter in Betracht.
Handelt es sich bei dem versorgungsberechtigten Geschäftsführer zugleich um den Alleingesellschafter, hat – anders als bei einem „normalen“ Mitarbeiter – der Insolvenzverwalter ggf. gegen den Arbeitgeber einen Anspruch darauf, dass die Gesellschaft die DV kündigt (vgl. OLG Braunschweig Urteil vom 04.09.2019 – 11 U 1156/18).
Mit der Nachtragsverteilung wird Gläubigern der Zugriff auf Vermögen ermöglicht, das der Insolvenzmasse zuzuordnen ist, das aber aus rechtlichen Gründen bei der Schlussverteilung zum Ende der Wohlverhaltensphase einer Privatinsolvenz noch nicht verwertet werden kann. Dies gilt u.a. für aufschiebend bedingte Ansprüche, auf die der Schuldner bereits einen Rechtsanspruch hat, für die er aber bei Abschluss des Insolvenzverfahrens noch kein Verwertungsrecht hat. In diesen Fällen kann der Insolvenzverwalter anordnen, dass die bis zum Termin der Schlussverteilung aufgebaute Anwartschaft dann zur Verwertung kommt, wenn die Ansprüche später fällig werden. So kann die Versicherung bei Fälligkeit noch nachträglich nach Maßgabe der Pfändungsschutzvorschriften an die Gläubiger verteilt werden. Fällige laufende Leistungen aus einer Betriebsrente sind oberhalb der Pfändungsfreigrenze pfändbar. Fällige Kapitalleistungen werden grundsätzlich in voller Höhe der Insolvenzmasse zugerechnet.
Unterstützungskasse
Anwartschaften aus einer Unterstützungskasse sind bei einer Insolvenz des Versorgungsberechtigen nicht verwertbar. Da der Versorgungsberechtigte gegen die Unterstützungskasse keinen unmittelbaren Anspruch hat (§ 1b Abs. 4 BetrAVG) und die Anwartschaft damit dem Schuldner noch nicht wirtschaftlich zusteht, kann sie vom Insolvenzverwalter nicht der Insolvenzmasse zugeführt werden. Auch die Anordnung eines Nachtragsverfahrens ist nicht möglich. Erst eine fällige Leistung aus der Unterstützungskasse ist oberhalb der Pfändungsfreigrenze pfändbar. Fällige Kapitalleistungen werden in voller Höhe der Insolvenzmasse zugerechnet.
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