Übertragung von bAV-Anwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis
- BMF-Schreiben vom 12.08.21 stellt steuerliche Rahmenbedingungen der Übertragung klar
- Arbeits- und versicherungsvertragliche Konsequenzen sind zu beachten
- Arbeitnehmer müssen bei einem Wechsel des Versorgungsträgers sorgfältig aufgeklärt werden
Im Rahmen des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (BRSG) wurde bereits zum 01.01.2018 die steuerfreie Übertragung von Versorgungsanwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis gesetzlich geregelt (vgl. § 3 Nr. 55c EStG). Hierdurch soll für Arbeitgeber die Möglichkeit geschaffen werden, bestehende Versorgungsanwartschaften bei einem oder wenigen Versorgungsträgern zu bündeln. Zum anderen können Versorgungszusagen von „defizitären“ und unrentablen Versorgungsträgern ausgelöst werden, um Arbeitnehmern die Chance auf höhere Leistungen zu bieten.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Steuerlich gilt: Für den Arbeitnehmer bleibt eine Übertragung von Anwartschaften aus einer Direktversicherung (Pensionskasse oder Pensionsfonds) im laufenden Arbeitsverhältnis nach § 3 Nr. 55c Satz 2 Buchstabe a EStG lohnsteuerfrei, wenn die Anwartschaft lediglich auf einen anderen Versorgungsträger einer Direktversicherung (Pensionsfonds, Pensionskasse) übertragen wird. Dies gilt nicht für Zahlungen, die unmittelbar an den Arbeitnehmer erfolgen. Zwischenzeitlich hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 12.08.2021 (Rz 63) klargestellt, dass der steuerfreien Portabilität nicht entgegensteht, wenn es bei der Übertragung aufgrund rechtlicher Vorgaben des aufnehmenden Versorgungsträgers zwingend zu Änderungen der Rahmenbedingungen der zugesagten bAV kommt. Als zwingende rechtliche Anpassungen gelten beispielsweise ein abweichendes Tarifwerk des aufnehmenden Versorgungsträgers, neue Rechnungsgrundlagen, ein anderer Rechnungszins und dadurch als Folge mögliche Beitragsanpassungen oder Ausschluss einer Hinterbliebenenabsicherung.
Sozialversicherungsrechtlich gilt: Die steuerfreie Übertragung im laufenden Arbeitsverhältnis wurde bereits mit Schreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 21.11.2018 flankiert. Der steuerfreie Übertragungswert zählt nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung.
Arbeitsrechtlich gilt: Die Übertragung einer Versorgungsanwartschaft im laufenden Arbeitsverhältnis ist grundsätzlich zustimmungspflichtig. Neben dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer muss auch der aufnehmende Versorgungsträger der Übertragung zustimmen. Achtung: Basiert die Versorgungszusage auf einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag und wird der Versorgungsträger darin festgelegt, ist auch die Zustimmung des Betriebsrats bzw. der jeweiligen Tarifvertragsparteien erforderlich. Beruht die Anwartschaft auf einer Gesamtzusage, kann im Einzelfall geprüft werden, ob ein Arbeitgeber ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des einzelnen Versorgungsberechtigten einen Wechsel des Versorgungträgers oder des Durchführungsweges vollziehen kann. Häufig werden jedoch auch hier die mit einer Übertragung einhergehenden materiellen Änderungen in der Versorgungszusage zu einem Zustimmungserfordernis des Arbeitnehmers führen. In konkreten Fällen sollte eine juristische Bewertung erfolgen.
Versicherungsvertragliche Konsequenzen
Es besteht derzeit kein gemeinsames Abkommen der Versicherer, wie mit Übertragungen im laufenden Arbeitsverhältnis kostentechnisch zu verfahren ist. Das bestehende Deckungskapitalübertragungsabkommen bei Arbeitgeberwechsel deckt die Übertragungen gem. § 3 Nr. 55c EStG im laufenden Arbeitsverhältnis nach heutigem Stand nicht ab. Im Ergebnis würde das Deckungskapital beim abgebenden Risikoträger mit Stornogebühren belastet. Bei Neu-Abschluss fallen hingegen beim aufnehmenden Risikoträger ggf. neue Abschlusskosten an. Hieraus ergibt sich für den Versorgungsberechtigten in aller Regel ein deutlicher Wertverlust. Zudem können insbesondere ältere Versorgungsanwartschaften durch schlechtere Kalkulationsgrundlagen (Rechnungszins, Sterbetafeln etc.) im Neu-Vertrag wirtschaftlich beeinträchtigt werden.
Praxishinweise
Die Übertragung bestehender Versorgungsanwartschaften im laufenden Arbeitsverhältnis sollte in der Praxis mit Bedacht und ausschließlich im Interesse des Kunden eingesetzt werden. Der Gesetzgeber hat diese Option zur administrativen Entlastung und existenziellen Neu-Ordnung eingeräumt. Das Wohl des Versorgungsberechtigten steht im Vordergrund.
Vor diesem Hintergrund sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber in allen Fällen transparent über die Konsequenzen einer Übertragung aufgeklärt werden. Dies gilt insbesondere für Versorgungsanwartschaften, die durch Entgeltumwandlung finanziert sind. Die Änderungen müssen im Hinblick auf Kalkulationsgrundlagen, Höhe und Umfang der Versorgungsleistungen transparent werden. Darüber hinaus sollte die Beratung in einem aussagekräftigen Protokoll dokumentiert werden.
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