Absenkung der Beitragsbemessungsgrenze West in 2022 – Auswirkungen auf die bAV
- Keine Billigkeitsregelung für überdotierte bAV-Beiträge in 2022
- Überdotierte Beiträge werden temporär geringfügig steuer- bzw. abgabenrechtlich belastet
- Reduzierung der Beiträge wirtschaftlich in der Regel nicht sinnvoll
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesministerium für Gesundheit haben die voraussichtlichen maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung für das Jahr 2022 bekannt gegeben. Die Zustimmung des Bundesrates wird – wie jedes Jahr – Anfang Dezember erwartet. Durch das Sinken der Bruttolöhne und -gehälter der Arbeitnehmer im Zuge der Corona-Krise um 0,34 Prozent wird die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung West (BBG West) voraussichtlich auf 84.600 EUR reduziert werden.
Da sich die steuer- und sozialversicherungsfreien Höchstbeiträge zugunsten einer bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV bundeseinheitlich an der BBG West orientieren, können sich im Einzelfall Auswirkungen auf bestehende Verträge ergeben. Alle wesentlichen Fakten haben wir nachfolgend zusammengestellt.
Neue bAV-Höchstgrenzen in 2022
- Der steuerfreie Höchstbetrag zur bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG beträgt 8 % der BBG West. 2022 können somit bundeseinheitlich 6.768 EUR p.a. bzw. 564 EUR p.m. steuerfrei zugunsten einer Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds aufgewendet werden. Dieser Höchstbetrag gilt unabhängig davon, ob die Beiträge durch den Arbeitgeber oder im Wege der Entgeltumwandlung finanziert werden. Im Vergleich zu 2021 ist die Höchstgrenze um 4 EUR monatlich gesenkt worden.
- Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag zur bAV gem. § 3 Nr. 63 EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV beträgt 4 % der BBG West. 2022 können somit bundeseinheitlich 3.384 EUR p.a. bzw. 282 EUR p.M. sozialversicherungsfrei zugunsten einer Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds aufgewendet werden (Arbeitgeber-Beiträge wie Beiträge aus einer Entgeltumwandlung). Im Vergleich zu 2021 ist die Höchstgrenze um 2 EUR monatlich gesenkt worden. Diese neue Höchstgrenze gilt gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch für Entgeltumwandlungen zur Finanzierung einer Versorgungszusage über eine Unterstützungskasse.
Achtung: Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in Abstimmung mit dem BMAS erklärt, dass es keine Billigkeitsregelung zur Vermeidung möglicher negative Folgen für die bAV durch eine Absenkung der BBG West geben wird. Somit sind die neuen Höchstgrenzen bei der Verbeitragung und Buchung der bAV-Beiträge ab 2022 uneingeschränkt anzuwenden.
Die folgenden Ausführungen sind nur für solche bAV-Verträge bzw. Versorgungszusagen an Arbeitnehmer von Bedeutung, bei denen die in 2021 geltenden steuer- bzw. sv-freien Beträge voll ausgeschöpft werden und es infolge der Absenkung der BBG zu Überdotierungen kommt.
Überdotierte bAV-Beiträge
Übersteigt der bAV-Beitrag die geförderten Höchstgrenzen hat dies insoweit grundsätzlich eine Steuer- oder Beitragspflicht zur Folge:
- Steuerliche Überdotierung
Übersteigt der Beitrag die Höchstgrenze von 8% der BBG West, unterliegt der übersteigende Beitrag der individuellen Lohnbesteuerung. Der Arbeitgeber muss bAV-Beiträge, die die Höchstgrenze übersteigen anteilig dem steuerpflichtigen Lohn zurechnen.
Leistungen aus einer Direktversicherung (Pensionskasse, Pensionsfonds), die nicht auf steuerfreien Beiträgen beruhen und insoweit ungefördert sind, werden wie private Rentenversicherungen besteuert (Ertragsanteilbesteuerung bzw. Ertragsbesteuerung für Kapitalleistungen). Es kommt nicht zu einer Doppelversteuerung.
Der Versorgungsträger nimmt eine Splittung der Leistung nach geförderten und ungeförderten Beiträgen vor. Bestehen für einen versorgten Arbeitnehmer mehrere Versicherungsverträge mit Beiträgen gemäß § Nr. 63 EStG ist eine Mitteilung des Arbeitgebers an den Versorgungsträger erforderlich, bei dem der Versicherungsvertrag besteht, für den die notwendige Beitragsaufteilung in gefördert und ungefördert vorgenommen werden soll. - Sozialversicherungsrechtliche Überdotierung
Beiträge, die den Höchstbetrag von 4 % der BBG West übersteigen, sind in vollem Umfang und in allen Zweigen der Sozialversicherung dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt hinzuzurechnen und unterliegen insoweit der Abgabenbelastung. Hierbei ist der sv-freie Höchstbetrag vom Bruttogehalt, nicht von dem bis zur BBG beitragspflichtigen Gehalt abzuziehen.
Für fällige bAV-Leistungen besteht grundsätzlich die volle Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken-und Pflegeversicherung (GKV, GPflV) bis zur jeweiligen BBG. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungen auf ungeförderten bzw. bereits verbeitragten Beiträgen beruhen. Insoweit kann es bei Überdotierung zu einer sogenannten Doppelverbeitragung kommen.
Bei der Doppelverbeitragung sind folgende Ausnahmen zu beachten:
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Es gilt für Pflichtversicherte eine Freigrenze (§ 226 Abs. 2, S.1 SGB V) bzw. ein Freibetrag (§ 226 Abs. 2, S.2 SGB V – nur im Rahmen der KV) für fällige bAV-Leistungen.
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Es besteht keine Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR/PV) für bAV-Leistungen, die mit Riesterbeiträgen finanziert worden sind.
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Es werden keine KvDR/PV-Beiträge auf Leistungen erhoben, soweit die Leistungen auf privaten Beiträgen beruhen, die der Arbeitnehmer als VN gezahlt hat.
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Privat krankenversicherte Leistungsempfänger sind von der Beitragspflicht nicht betroffen.
- Auswirkungen auf ArbG-Zuschüsse
1a Abs. 1a BetrAVG regelt den Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung bis 4 % der jeweiligen BBG. Besteht bereits eine Entgeltumwandlung über den geltenden Höchstbetrag, können der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer diese grundsätzlich beibehalten und die Finanzierung des Vertrages auch bei einer reduzierten BBG fortführen. Dies gilt auch für einen pauschal gewährten Arbeitgeberzuschuss (15 %). Diese Vorgehensweise ist aus administrativer Sicht die einfachste Lösung und verursacht keinen Folgeaufwand bei Erhöhung der BBG in 2023.
Würde der Arbeitgeber den 15 %-Zuschuss strikt auf 4 % BBG West in 2022 begrenzen, ergäbe sich eine Reduzierung von 0,30 EUR monatlich. Dieser Korrektur stünde jedoch ein enormer administrativer Anpassungsaufwand gegenüber, der sich in 2023 entsprechend wiederholen würde.
Wird der Arbeitgeberzuschuss spitz abgerechnet, muss aufgrund des reduzierten sv-freien Betrages (4 % der BBG) je nach Höhe des Umwandlungsbetrages und des nach Umwandlung bestehenden Gehalts ermittelt werden, ob sich die Zuschusshöhe ändert. Ggf. muss der Arbeitgeber den Versorgungsträger informieren und bestehende Verträge anpassen. Leistet der Arbeitgeber den Zuschuss in der Jahresabrechnung als Sonderzahlung, muss er diesen infolge der reduzierten BBG auf Jahresbasis neu berechnen.
Handlungsoptionen
Da bereits in 2023 mit einem erneuten, vermutlich sogar deutlichen, Anstieg der BBG West zu rechnen ist, werden die Auswirkung einer Überdotierung nur temporär auftreten. Zudem ist zu beachten, dass für eine technische Änderung (Beitragsreduzierung und ggf. erneute Beitragserhöhung) bei den Versorgungsträgern in der Regel bedingungsgemäß eine Verwaltungsgebühr erhoben wird, die das Deckungskapital belastet. Diese Kosten können höher sein als die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Überdotierung.
Letztlich entscheiden Arbeitgeber und Arbeitnehmer – bei Entgeltumwandlung - wie im Falle einer Überdotierung in 2022 verfahren werden soll. Folgende Optionen sind denkbar:
- Fortführung des Beitrags
Ein bestehender bAV-Beitrag kann versicherungstechnisch unverändert fortgeführt werden. Es ergeben sich ggf. die beschriebenen, geringfügigen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen. Arbeitgeber müssen die Gehaltsabrechnungssysteme entsprechend anpassen. Bei einer Überschreitung der steuerlichen Dotierungsgrenze muss der Arbeitgeber dem Versicherer gem. § 5 LStDV die veränderte Beitragsaufteilung nach geförderten und ungeförderten Beiträgen mitteilen.
Steigt die Renten-BBG in 2023 wieder an, können die Beiträge automatisch wieder vollständig steuer- bzw. sozialversicherungsfrei gebucht werden. Somit ergibt sich voraussichtlich lediglich für 12 Monate ein geringer Verlust an steuer-/sv-rechtlicher Förderung. Zudem bedeutet die Fortführung in der Praxis den geringsten administrativen Aufwand, um die vorrübergehende BBG-Senkung zu überbrücken. Die Auswirkungen für den Arbeitnehmer sind marginal und eine Reduzierung der versicherten Leistungen wird vermieden. - Reduzierung des Beitrags
Auf ausdrücklichen Kundenwunsch kann der bAV-Beitrag reduziert werden, um eine steuer- oder sv-freie Überdotierung zu vermeiden. Arbeitgeber müssen mit Zustimmung der Arbeitnehmer (bei Entgeltumwandlung) eine Beitragsreduzierung beim Versicherer beantragen. Die reduzierten Leistungen werden per Nachtrag dokumentiert. Auch die internen Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung sind anzupassen. Diese Option gestaltet sich nicht nur administrativ aufwändiger, sondern belastet den Vertrag auch mit zusätzlichen Kosten (Verwaltungsgebühr). Dies wird bei betroffenen Arbeitnehmern häufig zu Irritationen führen und erhöhten Erklärungsbedarf auslösen. Zudem ist eine erneute Anhebung des Beitrags bei einem Anstieg der BBG in 2023 ggf. nicht uneingeschränkt möglich. Im Ergebnis wird der Beitrag langfristig auf einem geringeren Niveau eingefroren als ursprünglich vereinbart.
Arbeitsrechtliche Hinweispflichten
Aus der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht lassen sich im Regelfall wohl keine Informationspflichten des Arbeitgebers in Bezug auf die vergleichsweise geringfügigen Auswirkungen der BBG-Senkung herleiten. Insofern bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, ob er freiwillig die betroffenen Arbeitnehmer oder allgemein über die BBG-Senkung informieren möchte. Um Irritationen und Rückfragen zu vermeiden, empfiehlt es sich „betroffene“ Arbeitnehmer aufzuklären
Im Ergebnis dürften die Auswirkungen der BBG-Absenkung für das Jahr 2022 in der Praxis eher gering sein. Dennoch müssen Abrechnungssysteme nachjustiert werden, um eine fehlerfreie Umsetzung zu gewährleisten.
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