Marco Westermann - 15 Jun 2015

BAG-Urteil zur Auslegung eines als Gesamtzusage erteilten Versorgungsversprechens über eine Gesamtversorgung

BAG-Urteil vom 13.01.2015, 3 AZR 897/12 (Parallelentscheidungen 3 AZR 894/12; 3 AZR 899/12).

Ein als Gesamtzusage erteiltes Versorgungsversprechen ist regelmäßig dynamisch. Die Versorgung richtet sich nach den jeweils bei dem Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln.

Soll die Versorgung statisch sein, muss der Arbeitgeber dieses deutlich machen.

Ist eine Gesamtversorgung erteilt, ist davon auszugehen, dass die Betriebsrente erst bei gleichzeitigem Bezug einer gesetzlichen Rente fällig werden kann.


Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

Die Arbeitsvertragsparteien streiten darüber, ob der beklagte Arbeitgeber der klagenden Arbeitnehmerin bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersversorgung schuldet. Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ergab sich hier aus den Regelungen zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung (AHV) von 1959 in der Fassung von 1991. Voraussetzung für die Betriebsrente nach der AHV-1991 war, dass der Angestellte die fünfjährige Wartezeit erfüllt und nach Vollendung des 63. Lebensjahres, bei weiblichen Mitarbeitern nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus den Diensten des Arbeitgebers ausscheidet. Die AHV bestimmt weiter, dass die Betriebsrente u. a. um die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gekürzt wird.

Im Jahr 2010 informierte der Arbeitgeber seine Mitarbeiter, dass aufgrund der Anhebung der gesetzlichen Altersgrenzen die Betriebsrente nach der AHV frühestens mit Vollendung des 63. Lebensjahres beansprucht werden könne. Die Klägerin war dagegen der Ansicht, bei den in der AHV genannten Altersgrenzen handele es sich um feste Altersgrenzen. Während ihre hierauf gerichtete Klage in den ersten beiden Instanzen erfolgreich war, scheiterte die Klägerin jedoch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG).


Entscheidung

Das BAG stellte fest, dass die Klägerin bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nach Vollendung des 60. Lebensjahres keinen Anspruch auf die Betriebsrente habe, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Auf das Arbeitsverhältnis fände die AHV-1991 Anwendung, denn die Versorgungszusage sei in Form einer Gesamtzusage erteilt. Gesamtzusagen zielten darauf ab, Leistungen nach einheitlichen Regeln zu erbringen, stellten also ein System dar. Ein solches System dürfe nicht erstarren und sei also grundsätzlich dynamisch zu verstehen. Wolle der Arbeitgeber, dass die Versorgungsregelungen in der Fassung Anwendung finden, die bei Erteilung der Zusage galten, müsse er dieses – so das BAG – in der Versorgungszusage ausdrücklich festlegen.

Das BAG stellt weiter fest, dass die AHV für die Gewährung einer Altersleistung den Bezug der gesetzlichen Altersrente voraussetze. Zwar enthalte die AHV keine starre Altersgrenze; die AHV sei jedoch als Gesamtversorgungssystem ausgestaltet. Eine Gesamtversorgung zeichne sich dadurch aus, dass nicht eine bestimmte Versorgungsleistung, sondern ein Versorgungsgrad zugesagt werde. Die zu gewährende Leistung sichere also ein bestimmtes Versorgungsniveau unter Einrechnung gesetzlicher Renten oder gegebenenfalls sonstiger Versorgungsleistungen. Damit sei bei einer Gesamtversorgung regelmäßig davon auszugehen, dass der Arbeitgeber die Betriebsrente erst zahlen wolle, wenn der Arbeitnehmer gleichzeitig eine gesetzliche Rente beziehe.


Fazit

Die Entscheidung des BAG reiht sich ein in eine Mehrzahl neuerer Urteile, nach denen Versorgungszusagen mit kollektivem Bezug, wie insbesondere Gesamtzusagen und Betriebsvereinbarungen, im Zweifel als dynamische Regelungen zu verstehen sind. Das BAG betont hier stets die Notwendigkeit, dass solche Zusagen ein einheitliches System bildeten und nicht über die Zeit versteinern dürften; dieses gelte insbesondere für vom Arbeitgeber in einer Vielzahl von Fällen verwendete Allgemeine Geschäfts- bzw. Arbeitsbedingungen. Hierdurch klärt sich aber zunächst nur die Frage, ob eine nachträgliche Anpassungsmöglichkeit überhaupt besteht. Inhaltlich muss eine nachteilige Änderung aber stets die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit beachten.

Die zweite, in der BAG-Entscheidung maßgebliche Frage, ob die in den AHV genannten Altersgrenzen 60 für Frauen und 63 für Männer als feste Altersgrenzen zu verstehen sind, klärte sich durch eine Auslegung der als Gesamtversorgung ausgestalteten Zusage. Eine Gesamtversorgung zielt auf die Anrechnung sonstiger Versorgungsleistungen und setzt damit notwendigerweise den Bezug der gesetzlichen Altersrente voraus.

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