HPM - 30 Okt 2020

BAG-Urteil zur Berechnung einer unverfallbaren Anwartschaft bei Teilzeitbeschäftigung und gespaltener Rentenformel

  • Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 03.06.2020 — 3 AZR 480/18

  • Die Berechnung einer bAV-Anwartschaft unter Berücksichtigung eines auf die gesamte anrechenbare Dienstzeit zu ermittelnden Beschäftigungsgrads entspricht dem pro-rata-temporis-Grundsatz, auch unter Berücksichtigung der sog. gespaltenen Rentenformel

Sachverhalt (vereinfacht dargestellt)

Die Parteien streiten über die Höhe und Berechnung der unverfallbaren Anwartschaften auf eine betriebliche Altersrente. Die Klägerin war bis zur Vollendung ihres 55. Lebensjahres bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Während ihrer Dienstzeit arbeitete sie sowohl in Voll- als auch in Teilzeit mit unterschiedlichen Teilzeitgraden. Der Klägerin wurde seitens der Beklagten u.a. eine (vorgezogene) betriebliche Altersrente zugesagt.

Die streitgegenständliche Versorgungsregelung der Beklagten sieht hinsichtlich der Berechnung der Unverfallbarkeit der Anwartschaft sinngemäß Folgendes vor:

  1. Bei Mitarbeitern, die während ihrer anrechnungsfähigen Dienstzeit  (teilweise) teilzeitbeschäftigt waren, wird der Jahresverdienst auf Basis eines Vollzeitbeschäftigten berechnet. Das danach berechnete Jahreseinkommen wird auf die individuelle wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit während der gesamten anrechnungsfähigen Dienstzeit umgerechnet (ratierliche Kürzung).

  2. Oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG)  werden 2 % des ruhegeldfähigen Arbeitseinkommens zugunsten der Altersrente verwendet, unterhalb dieser Grenze 0,6 % (gespaltene Rentenformel).

  3. Das ruhegeldfähige Arbeitseinkommen ist der höchste Durchschnittsbetrag des Einkommens, das der Mitarbeiter in drei Kalenderjahren innerhalb der letzten fünf vollen Kalenderjahre seiner anrechnungsfähigen Dienstzeit erzielt hat.

  4. Die anrechnungsfähige Dienstzeit ist auf 35 Jahre begrenzt.

Auf Basis dieser Berechnungsmethode ermittelte die Beklagte im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Klägerin die von der Beklagten aufrechtzuerhaltende unverfallbare Versorgungsanwartschaft.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin eine höhere Altersrente geltend. Durch die in der Versorgungsregelung festgelegte Berechnungsmethode würde sie aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung rechtlich unzulässig benachteiligt. Ihrer Ansicht nach müsse für Teilzeitbeschäftigte das fiktive Einkommen eines Vollzeitbeschäftigten errechnet und darauf die gespaltene Formel angewendet werden. Erst dann sei eine Reduzierung auf der Basis des Teilzeitbeschäftigungsgrades vorzunehmen.

Entscheidung

Das BAG entschied, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente hat.

Die Anwartschaftsberechnung verstößt nach Ansicht des BAG nicht gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG. Vielmehr entspreche die Berechnungsmethode der Beklagten dem pro-rata-temporis-Grundsatz in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG. Ein teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter dürfe ohne sachlichen Grund nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter. Die Berechnung des  ruhegeldfähigen Arbeitseinkommens auf Basis des durchschnittlichen Einkommens während der gesamten Dienstzeit und nicht auf Basis eines fiktiven Vollzeitgehalts entspreche diesem Grundsatz, da das Endgehalt teilzeitbeschäftigter Mitarbeiter dadurch sachgemäß an den tatsächlichen Beschäftigungsumfang des gesamten Arbeitsverhältnisses angepasst werde.

Nach Ansicht des BAG ist es auch nicht zu beanstanden, dass dieses ruhegeldfähige Arbeitseinkommen auf Teilzeitbasis dann Grundlage für die Anwendung der gespaltenen Rentenformel mit den unterschiedlichen Steigerungssätzen je nach Einkommensanteilen ober- und unterhalb der BBG ist. Auch diese führe nicht zu einer Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Sinn und Zweck der gespaltenen Rentenformel sei es gerade den Versorgungsbedarf am Ende des Arbeitsverhältnisses abzubilden und dem erreichten Lebensstandard annähernd gerecht zu werden. Nach Ansicht des BAG ist der erreichte Lebensstandard u.a. gerade dadurch geprägt, in welchem Umfang über die gesamte Dienstzeit gearbeitet wurde und welches Entgelt dadurch erzielt wurde.

Hinweis

Damit hat ein langer Rechtsstreit sein Ende gefunden. Das Arbeitsgericht Verden hatte bereits in der ersten Instanz dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in diesem Zusammenhang Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Daraufhin entschied der EuGH mit Urteil vom 13.07.2017 (C-354/16 (Ute Kleinsteuber/ Mars GmbH)), dass sowohl die gespaltene Rentenformel als auch die ratierliche Kürzung europarechtskonform sind. Offen geblieben war, ob die Berechnungsweise des Arbeitgebers dem pro-rata-temporis-Grundsatz entsprach. Das BAG hat die insoweit anderslautenden Entscheidungen des Arbeitsgerichts Verden und des Landesarbeitsgerichts nun einkassiert und erfreulicherweise zugunsten der bisherigen verbreiteten Berechnungspraxis entschieden.

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