Anca Enescu - 29 Okt 2021

Neue Bewertung von rückgedeckten Pensionszusagen in der Handelsbilanz nach IDW RH FAB 1.021

  • Künftig "kongruente" Bewertung sämtlicher rückgedeckter Pensionsverpflichtungen und korrespondierender Rückdeckungsversicherungen
  • Voraussetzung: Prüfung und Konstruktion von Kongruenzen mittels Zahlungsstromvergleich der zugesagten respektive der versicherten Leistungen
  • Ausgestaltung sowie Umsetzungskonzepte müssen entwickelt werden

Am 30.04.2021 hat der Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) den Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021„Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ verabschiedet.

IDW RH FAB 1.021 wurde im Juli in Heft 7/2021 der IDW Life veröffentlicht. Der neue Hinweis zur Rechnungslegung bringt grundlegende Veränderungen mit sich und wird große Auswirkungen auf die handelsbilanzielle Bewertung von Verpflichtungen aus Direktzusagen und der korrespondierenden Rückdeckungsversicherungen haben.

Hintergrund
Die rückgedeckte Pensionszusage ist in Deutschland ein weit verbreitetes Versorgungsmodell der betrieblichen Altersvorsorge. Viele Firmen machen von der Möglichkeit Gebrauch, die Rückdeckungsversicherung als Instrument zur Finanzierung der zugesagten Versorgungsleistungen einzusetzen.

Vor dem Hintergrund der langanhaltenden Niedrigzinsphase würde eine isolierte Bewertung der Pensionsverpflichtungen und der korrespondierenden Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung zur Folge haben, dass beide Bewertungsansätze wesentlich auseinanderfallen. Der Erfüllungsbetrag wird nach § 253 Abs. 2 HGB mit dem aktuellen Niedrigzins kalkuliert, währenddessen der Versicherer ggf. eine höhere Garantieverzinsung aufweist.

In den Fällen, in denen die Zahlungen an den Versorgungsberechtigten gemäß Pensionszusage und die Zahlungen aus der korrespondierenden Rückdeckungsversicherung größtenteils deckungsgleich verlaufen, erscheint der isolierte Ansatz als nicht sachgerecht, da der Zinseffekt die Aussagekraft des handelsbilanziellen Abschlusses über die tatsächliche Vermögens- und Finanzlage der Firma einschränkt.

Das IDW ist zum Ergebnis gekommen, dass auch in solchen Fällen eine korrespondierende Bewertung vorzunehmen ist. Übereinstimmende Zahlungsströme sollen künftig in gleicher Höhe bewertet werden: Entweder sind die Pensionsrückstellungen mit dem Wert der Rückdeckungsversicherung zu bewerten (Aktivprimat), oder die Rückdeckungsversicherung ist mit dem Erfüllungsbetrag (Passivprimat) zu bewerten.

Die Änderung nach IDW RH FAB 1.021
Nach geltender Gesetzeslage sind Pensionsrückstellungen im Fall von wertpapiergebundenen Altersversorgungszusagen gemäß §253 Abs. 1 Satz 3 HGB mit dem beizulegenden Zeitwert der entsprechenden Wertpapiere zu bewerten, soweit er einen garantierten Mindestbetrag übersteigt.

Der Gesetzgeber lässt gemäß §253 Abs. 1 Satz 3 HGB die Bildung von Bewertungseinheiten speziell für wertpapiergebundene Zusagen zu, weil sich die Höhe der Versorgungsverpflichtungen in diesem Fall nach den Wertpapieren bestimmt.

Gemäß IDW RS HFA 30 n.F., Tz.74 sind auch leistungskongruente rückgedeckte Versorgungszusagen wie wertpapiergebundene Zusagen zu bewerten. Voraussetzung für die Anwendung von §253 Abs. 1 Satz 3 HGB ist das Vorliegen einer Kongruenz der Zahlungsströme aus Vermögen und Zusage. Liegt diese Kongruenz nicht vor, gelten die allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätze.

Erfüllt die Rückdeckungsversicherung nicht die Anforderung an Deckungsvermögen, stellt IDW RS HFA 30 n.F., Tz. 76 klar, dass unter den Voraussetzungen des § 254 HGB eine Bewertungseinheit gebildet werden kann.

Gemäß IDW RS HFA 30 n.F., Tz.74 ist eine Rückdeckungsversicherung als leistungskongruent zu bezeichnen, wenn die aus ihr erfolgten Zahlungen sowohl hinsichtlich der Höhe als auch der Zeitpunkte deckungsgleich sind mit den Zahlungen an den Versorgungsberechtigten. Wenn es sich um eine versicherungsgebundene Zusage handelt, ist eine Leistungskongruenz i.A. gegeben.

Im Falle nicht-versicherungsgebundener rückgedeckter Zusagen gibt IDW RH FAB 1.021 eine Anleitung zur Konstruktion von „Kongruenzen“ zwischen Rückdeckungsversicherungen und Zusage: In Anlehnung an die Grundsätze für die Bewertung von Verpflichtungen aus wertpapiergebundenen Zusagen ist naheliegend, die Pensionsrückstellung mit dem Buchwert des korrespondierenden Rückdeckungsversicherungsanspruchs zu bewerten („Primat der Aktivseite“). Um eine kongruente Bewertung zu erreichen käme des Weiteren mangels zwingender gesetzlicher Vorgabe bilanztechnisch auch der Ansatz des Rückdeckungsversicherungsanspruchs in Höhe des notwendigen Erfüllungsbetrags der korrespondierenden Pensionsrückstellung in Betracht („Primat der Passivseite“).

IDW RH FAB 1.021 eröffnet die Möglichkeit, auch für nicht-versicherungsgebundene Zusagen Bewertungseinheiten zu bilden und mittels Zahlungsstromvergleich für diejenigen Leistungskomponenten, welche (teilweise) kongruent rückgedeckt sind, eine korrespondierende Bewertung durchzuführen.

Welche Fälle bleiben von der Änderung unberührt?
Der Gesetzgeber schreibt im Fall von wertpapiergebundenen Zusagen gemäß §253 Abs. 1 Satz 3 HGB das Primat der Aktivseite vor. Vollständig versicherungsgebundene Altersversorgungszusagen sind bilanziell wie wertpapiergebundene Zusagen zu bewerten (§253 Abs. 1 Satz 3 HGB analog), denn die Versorgungszusage ist vertraglich direkt mit der Rückdeckungsversicherung verknüpft und die zugesagten Leistungen entsprechen genau den versicherten Leistungen. Somit ist in diesen Fällen eine Kongruenz der Zahlungsströme gewährleistet.

Sämtliche versicherungsgebundene Versorgungszusagen sind von der Neuerung des IDW nicht betroffen. Ein Wahlrecht zwischen Aktiv- und Passivprimat wird in diesen Fällen wegen zwingender gesetzlicher Vorgaben nicht eingeräumt. Die handelsbilanzielle Bewertung bleibt unverändert, der Bewertungsmaßstab für die Pensionsrückstellung ist grundsätzlich der beizulegende Zeitwert der Rückdeckungsversicherung (i.A. der Aktivwert).

Des Weiteren gibt es Fälle, in denen eine Herstellung von Kongruenzen aufgrund der Strukturverschiedenheit von Zusage und Rückdeckungsversicherung nicht möglich ist. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Rentenleistungen zugesagt werden, die Finanzierung der Zusage jedoch mittels einer Kapital-Rückdeckungsversicherung erfolgt.

Wenn das Leistungsspektrum der Rückdeckungsversicherung im erheblichen Maße von den zugesagten Leistungen abweicht, so dass eine Vergleichbarkeit der Zahlungsströme nicht mehr möglich ist, wird die handelsbilanzielle Bewertung unverändert vorgenommen, nach den
allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen.

Welche Fälle sind von der Änderung betroffen
Von der Änderung betroffen werden alle nicht-versicherungsgebundenen Pensionszusagen und die entsprechenden kongruenten oder teilweise kongruenten Rückdeckungsversicherungen.

Klassische Fälle hierunter sind Rentenanpassungen, die in den Versicherungsverträgen abweichend von den zugesagten Leistungen erwirtschaftet werden, sowie Über- oder Unterdeckungen, die sich nicht nur bei entsprechender Über- oder Unterfinanzierung ergeben, sondern auch wenn der Finanzierungsgrad der Rückdeckungsversicherung und der Erdienungsgrad der Pensionszusage zum Stichtag auseinanderfallen.

Praktische Anwendung von IDW RH FAB 1.021:
Prüfung und Konstruktion der Kongruenz
Die ursprünglich von der jeweiligen (nicht-versicherungsgebundenen) Pensionszusage vorgesehenen Versorgungsleistungen können in der Regel aufgrund der Ausgestaltung der Leistungsformel nur schwer über die Leistungen der Rückdeckungsversicherung kongruent abgebildet werden.

Für die Prüfung der Kongruenz der Zahlungsströme erfolgt zunächst eine Aufteilung des Versorgungsanspruchs in einen kongruent rückgedeckten und einen nicht kongruent rückgedeckten Teil. Für den kongruenten Teil führt IDW RH FAB 1.021 das Wahlrecht des Aktiv- bzw. Passivprimats ein. Für den nicht kongruent rückgedeckten Teil sind nach wie vor Pensionsrückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag zu bilden.

Die Schwierigkeit in der Praxis für die Aktuare wird künftig darin bestehen, die kongruenten Zahlungsströme zu identifizieren und die Restverpflichtung aus der ursprünglichen Zusage, die nicht gedeckt ist, zu isolieren und zu bewerten.

Es müssen Verfahren zum „Splitting“ von Versicherungen sowie diverse „Schätzmethoden“ und Näherungslösungen entwickelt werden, die auf den jeweiligen Fall passen.

Zahlenbeispiel aus der Praxis:


Altes Verfahren:

  • Rückdeckungsversicherung stellt kein Deckungsvermögen dar
    • Aktivseite: 11.894 €
    • Passivseite: 13.807 €
  • Rückdeckungsversicherung stellt Deckungsvermögen dar => Saldierungspflicht nach § 246 HGB
    • Aktivseite: 0 €
    • Passivseite: 1.913 €

Neues Verfahren:

  • Rückdeckungsversicherung stellt kein Deckungsvermögen dar
  • Primat der Aktivseite:
    • Aktivseite = Aktivwert der Versicherung = 11.894 € = Passivseite
      (für die kongruenten Zahlungsströme)
    • Auf der Passivseite entsteht eine Unterdeckung in Höhe von 10% der zugesagten WR
    • Hierfür müssen PRST gebildet werden in Höhe von 13.807 € -13.745 € = 62 €
    • Passivseite = 11.894 € + 62 € = 11.956 €
  • Primat Passivseite:
    • Passivseite = Handelsrechtlicher Erfüllungsbetrag = 13.807 €
    • Auf der Aktivseite wird ein höherer Wert als der tatsächliche Aktivwert angesetzt und zwar in Höhe des korrespondierenden Erfüllungsbetrages für die versicherten Leistungen = 13.745 €
      (100% AR mit 60% WR)
    • Aktivseite = Erfüllungsbetrag für die versicherten Leistungen = 13.745 €
      (für die kongruenten Zahlungsströme)

  • Rückdeckungsversicherung stellt Deckungsvermögen dar => Saldierungspflicht nach § 246 HGB
  • Primat der Aktivseite:
    • Aktivseite = 0 €, Passivseite = 62 €
      Absenkung der Passivseite in Höhe von 1.851 EUR (= 13.807 € – (11.894 € +62 €))
      führt zum Ertrag.
  • Primat der Passivseite:
    • Aktivseite = 0 €, Passivseite = 62 €
      Erhöhung der Aktivseite in Höhe von 1.851 € (= 13.745 € – 11.894 €) führt zum Ertrag.

Vorbehalte aus juristischer Sicht und offene Fragen
Bezüglich der gesetzlichen Grundlage, auf welcher der Hinweis basiert, besteht noch Rechtsunsicherheit, denn die korrespondierende Bewertung als Grundgedanke war bisher gesetzlich nur für wertpapiergebundene Pensionszusagen zugelassen.

Rückdeckungsversicherungen werden grundsätzlich zur Finanzierung von Pensionszusagen abgeschlossen. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Argumentation aus juristischer Sicht hinreichend ist, um die Verknüpfung der Rückdeckungsversicherung an die entsprechende Pensionszusage zu begründen und somit eine analoge Anwendung der korrespondierenden Bewertung von Pensionsverpflichtungen und Ansprüchen aus der Rückdeckungsversicherung abzuleiten.

Die Anwendung der neuen handelsbilanziellen Richtlinie ist de facto für die Wirtschaftsprüfer bindend und somit implizit auch für diejenigen Firmen, welche sich einer Abschlussprüfung unterziehen müssen. Inwieweit die neuen Regelungen auch für kleine Firmen, die zu keiner Abschlussprüfung verpflichtet sind, umzusetzen sind, werden die künftigen Diskussionen am Markt noch ergeben. Jedenfalls erscheint aus wirtschaftlicher Sicht opportun, allen Firmen die Möglichkeiten der neuen Bewertung zu erschließen.

Mögliche Auswirkungen für die Steuerbilanz
In dem Zusammenhang ist die Frage naheliegend, inwieweit und ob die neue Bewertung in der Handelsbilanz auch Folgen für die Bewertung in der Steuerbilanz hat. Denn mit dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird der nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Vermögens respektive Verpflichtungsumfang in die Steuerbilanz aufgenommen. Die Steuerbilanz ist somit aus der Handelsbilanz abzuleiten. Die Frage, ob es sonderrechtliche Regelungen geben wird, ist zurzeit noch offen.

Ergänzende Hinweise und Ausblick
Der Rechnungslegungshinweis wurde von der Arbeitsgruppe „Altersversorgungsverpflichtungen im HGB-Abschluss“ des IDW vorbereitet und vom Fachausschuss Unternehmensberichterstattung (FAB) am 30.04.2021 verabschiedet.

Durch IDW Rechnungslegungshinweise wird grundsätzlich die Auffassung der Fachgremien des IDW zu einzelnen Fragen der Prüfung bzw. Unternehmensberichterstattung – ggf. ergänzend zu IDW Stellungsnahmen zur Rechnungslegung – erläutert. Die Beachtung von IDW Prüfungshinweisen wird in IDW PS 201 empfohlen (s. Grundsätze für die Arbeitsweise der IDW Fachgremien, Ziffer 2.1., Nr. 4)

IDW PS 201 n.F. wurde in IDW Life 6/2021 veröffentlicht.

Die IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung werden nach den Grundsätzen für die Arbeitsweise der IDW Fachgremien Tz. 5 – 7 in einem festgelegten Verfahren erarbeitet, in dem auf der Grundlage veröffentlichter Entwürfe dieser Verlautbarungen den Berufsangehörigen und der interessierten Öffentlichkeit Gelegenheit zur Kommentierung gegeben wird. Ein öffentlicher Diskussionsprozess im Entwurfsstadium mit der Möglichkeit zur Stellungnahme fand in diesem Fall nicht statt, wird jedoch zurzeit nachgeholt.

Die IDW Rechnungslegungshinweise werden nicht nach dem obigen Verfahren verabschiedet. Sie haben aber auch nicht den gleichen Grad der Verbindlichkeit wie die IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung. Ihre Beachtung und Anwendung wird jedoch empfohlen (s. Grundsätzen für die Arbeitsweise der IDW Fachgremien Tz. 10 – 11). Die darin enthaltenen Empfehlungen gelten ab dem in dem Hinweis geregelten Anwendungszeitpunkt.

Das mit IDW RH FAB 1.021 eingeführte Wahlrecht zwischen Aktiv- und Passivprimat wird nicht explizit als solches benannt, Vorgaben oder Regelungen bzgl. dessen Ausübung liegen nicht vor.

In der Regel ist es schwierig, die ursprüngliche Zusage in der Produktpalette des Lebensversicherers genau abzubilden. Alternativ kann beim Pensionsfonds, einer fondsgebundenen Rückdeckungsversicherung bei der Ampega oder über eine Unterstützungskasse eine Versicherung abgeschlossen werden, welche die fehlenden Leistungen abdeckt. Es besteht außerdem die Möglichkeit, die Zusagen auf „versicherungsförmige Zusagen“ umzustellen. Soweit Änderungen vorgenommen werden, so müssen diese wertgleich erfolgen. Eine Anpassung der Zusage ist mit einem erheblichen Beratungsaufwand verbunden, weil die Zusagen individuell betrachtet werden müssen. 

Da zurzeit, soweit ersichtlich, noch keine eingehende Literatur oder Stellungnahmen zum Thema existieren, die im Einzelfall eine konkrete Anleitung zur Anwendung geben könnten, ist der Abschlussbericht der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) zum Ende des Jahres abzuwarten.

Sobald uns weitere Unterlagen der DAV-Arbeitsgruppe vorliegen werden wir Sie zeitnah informieren. Gerne stehen wir Ihnen dann mit Rat und Tat für Rückfragen zur Verfügung.

Kontakt:
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