Christel Mayer - 28 Jul 2023
Privatinsolvenz & Lohnpfändung: Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung
- Privatinsolvenzen: 96.231 Anmeldungen in 2022
- Pfändungsfreigrenzen zum 01.07.2023 gestiegen
- bAV grundsätzlich auch bei Lohnpfändung möglich
In den Jahren 2021 und 2022 sind die Privatinsolvenzen wieder deutlich auf das Durchschnittsniveau vor der Corona-Pandemie gestiegen. Allein in 2022 haben in Deutschland 96.231 Privatpersonen das vereinfachte Insolvenzverfahren zur Abwicklung ihrer Zahlungsunfähigkeit angemeldet.
Oft stellt sich in diesem Kontext die Frage, welche Auswirkungen sich auf eine betriebliche Altersversorgung (bAV) ergeben. Kann der Arbeitnehmende seine bestehende Entgeltumwandung fortsetzen, oder auch nach Beginn einer Lohnpfändung eine Entgeltumwandlung neu einrichten?
Arbeitnehmerfinanzierte bAV
Wandelt ein Arbeitnehmender Entgelt zugunsten einer bAV um, ist mit Blick auf eine Lohnpfändung bzw. eine Privatinsolvenz wie folgt zu differenzieren:
- Vereinbarung der Entgeltumwandlung vor Beantragung der Privatinsolvenz bzw. Beginn der Lohnpfindung
Wandelt der Arbeitnehmende (ArbN) Teile seines Arbeitsentgelts bereits vor Beginn der Lohnpfändung bzw. vor Beantragung und Eröffnung des Insolvenzverfahrens um, wird i.d.R. nur das durch die Entgeltumwandlung reduzierte Gehalt berücksichtigt. Dies gilt zumindest im Rahmen der Dotierungsgrenzen des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG (max. 4% der Renten-BBG). Die Entgeltumwandlung (EUW) kann somit auch in der Privatinsolvenz bzw. bei Lohnpfändung fortgeführt werden.
Vorsicht: Wird die EUW-Vereinbarung zeitnah vor der Beantragung des Insolvenzverfahrens bzw. Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses abgeschlossen oder eine bestehende Vereinbarung erhöht, besteht die Gefahr, dass die getroffene Vereinbarung vom Insolvenzverwalter nicht akzeptiert wird, wenn die EUW der Höhe nach den Rechtsanspruch gem. § 1a BetrAVG übersteigt. Ansonsten hat der Insolvenzverwalter in der Anwartschaftsphase keine Zugriffsmöglichkeit.
Die durch die EUW erworbenen Ansprüche fallen zwar in die Insolvenzmasse des Versorgungsberechtigten. Der Insolvenzverwalter bzw. die Gläubiger können auf diese jedoch nur dann zugreifen, wenn die Leistungen während des Insolvenzverfahrens bereits fällig sind oder fällig werden. In diesem Fall sind ggf. noch zusätzliche Pfändungsschutzvorschriften zu beachten. In der Regel muss dem Versorgungsberechtigten ein bestimmter pfändungsfreier Betrag verbleiben. - Vereinbarung der EUW nach Beantwortung der Privatinsolvenz bzw. Beginn der Lohnpfändung
Besteht die Lohnpfändung bereits oder ist das Insolvenzverfahren schon eröffnet, kann das Gericht durch Beschluss Sicherungsmaßnahmen treffen, um eine Vermögensminderung des ArbN zu Lasten seiner Gläubiger zu vermeiden. Hierzu kann auch die Vereinbarung einer EUW zählen. Mit Urteil vom 14.10.2021 (8 AZR 96/20) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) jedoch entschieden, dass eine gem. § 1a BetrAVG durchgeführte EUW (max. 4% der jeweiligen Renten-BBG) grundsätzlich kein pfändbares Arbeitseinkommen nach § 850 Abs. 2 ZPO darstellt, da lediglich ein Rechtsanspruch umgesetzt wird. Dies gilt laut BAG auch dann, wenn die EUW-Vereinbarung erst nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses getroffen wird. Im Rahmen des nicht pfändbaren Teils des Einkommens ist eine EUW-Vereinbarung darüber hinaus zulässig. Der Abschluss einer EUW ist grundsätzlich mit dem Treuhänder abzustimmen.
Arbeitgeberfinanzierte bAV
Eine arbeitgeberfinanzierte bAV hat im Insolvenzverfahren bzw. bei Lohnpfändung keine Auswirkungen auf das pfändbare Arbeitseinkommen. Eine arbeitgeberfinanzierte bAV ist auch nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und während des Restschuldbefreiungsverfahrens möglich. Vorsicht: Umgehende Lohngestaltungsmodelle sind kritisch und gefährden die Restschuldbefreiung.
Der Zugriff auf arbeitgeberfinanzierte Leistungen durch den Insolvenzverwalter oder Treuhänder besteht nur, wenn die Leistungen während des Insolvenzverfahrens bzw. Restschuldbefreiungsverfahrens fällig sind oder fällig werden.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Gestaltung oder Überprüfung Ihrer betrieblichen Altersversorgung.
Kontakt:
Kontaktformular
hpm.newsletter@hdi.de
Alle Artikel zum Thema Aus dem Arbeitsrecht