Was Sie (vielleicht) schon immer über die bAV wissen wollten – § 100 EStG - Die Betriebsrente für Geringverdiener
- Arbeitnehmer in Kleinbetrieben und Bezieher niedriger Einkommen verfügen oft über keine bAV
- Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, dies zu ändern
- Der Geringverdienerförderbetrag schafft Anreize, eine Arbeitgeber-finanzierte bAV einzurichten
Vieles in der betrieblichen Altersversorgung wurde neu oder anders mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG). Eine der Neuerungen war der Förderbetrag nach § 100 EStG für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen (nachstehend Geringverdienerförderbetrag). In diesem Beitrag wird dargestellt, warum der Gesetzgeber diese Neuerung schuf, wie sie funktioniert, welchen Nutzen sie stiften kann und welche Rahmenbedingungen und Spielregeln einzuhalten sind, um den Förderbetrag nutzen zu können.
1. Warum das Ganze?
1.1 Notwendigkeit ergänzender Vorsorge
Dass die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung allein regelmäßig nicht ausreichen werden, um im Alter (geschweige denn bei Invalidität oder Tod) den Lebensstandard zu halten, kann an dieser Stelle wohl als allgemein bekannt vorausgesetzt werden. Ebenso die Folgerung, dass ergänzende Vorsorge für die genannten Fälle erforderlich ist. Eine Möglichkeit, Versorgungslücken im Alter zu schließen, ist die betriebliche Altersversorgung (bAV).
1.2 Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung
Der wesentliche Grund für die Einführung des BRSG war die zu geringe Verbreitung der bAV in Deutschland. So heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung: „Betriebsrenten sind noch nicht ausreichend verbreitet. Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigen Einkommen bestehen Lücken. …”
Die Aussage wurde bereits durch eine Untersuchung von TNS Infratest im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales getroffen:
„Einen starken und nahezu linear wirkenden Einfluss auf die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung haben Bruttomonatslohn bzw. -gehalt, da mit zunehmendem Einkommen auch der Anteil der Personen insgesamt wie auch der Männer und Frauen steigt, die aktuell eine BAV-Anwartschaft erwerben. Während in der untersten Einkommensgruppe (bis unter 1.500 €) weniger als ein Fünftel (18%) aller Beschäftigten eine private BAV-Anwartschaft erwirbt, sind es in der höchsten Einkommensgruppe (4.500 € und mehr) immerhin 71% ... .“ [1]
„Von Größenklasse zu Größenklasse steigt die BAV-Quote, und zwar von 25% bei Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern bis hin zu immerhin 55% bei Unternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten.“[2]
Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen im Rahmen des BRSG – auf die an dieser Stelle nicht weiter eingegangen wird – hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, diesem Zustand entgegen zu wirken. Denn der Gesetzgeber sieht die bAV als probates Mittel, um das Risiko von Altersarmut in Deutschland zu reduzieren.
1.3 Und warum nun die Geringverdienerförderung?
Die Geringverdienerförderung, genauer gesagt der Geringverdienerförderbetrag, setzt dort an, wo die Verbreitung der bAV am geringsten ist – bei den Beziehern niedriger Einkommen. Obwohl Arbeitnehmer bereits seit 2002 grundsätzlich einen gesetzlichen Anspruch auf eine bAV durch Entgeltumwandlung haben (§ 1a BetrAVG), ist die Verbreitung von bAV bei Beziehern niedriger Einkommen, wie vorstehend geschildert, (zu) gering. Der Grund liegt auf der Hand: Wer ohnehin schon ein geringes Einkommen bezieht, hat üblicher Weise auch keinen Spielraum mehr, auf einen Teil dieses Einkommens zu verzichten, um mittels bAV durch Entgeltumwandlung Vorsorge für das Alter zu betreiben. Daher setzt der Geringverdienerförderbetrag an anderer Stelle an: Der Förderbetrag dient nicht dazu, die Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers attraktiver zu machen, sondern er zielt darauf ab, durch den Arbeitgeber finanzierte bAV zu verbreiten. Durch einen staatlichen Zuschuss zur arbeitgeberfinanzierten bAV sollen mehr Arbeitgeber dazu motiviert werden, (auch) ihre gering verdienenden Arbeitnehmer in den Genuss einer bAV kommen zu lassen.
2. Funktionsweise und Voraussetzungen
2.1 Das Verfahren
Die gesetzlichen Regelungen zum Geringverdienerförderbetrag finden sich in § 100 EStG. Darüber hinaus hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) zahlreiche Detailfragen im Rahmen des BMF-Schreibens vom 12.08.2021 behandelt und stellt dort auch anhand vieler Beispiele die praktische Anwendung des § 100 EStG dar.
Der Geringverdienerförderbetrag beträgt im Kalenderjahr grundsätzlich 30 % des Beitrags, den der Arbeitgeber für die bAV eines Geringverdieners aufwendet. Der vom Arbeitgeber zusätzlich zum geschuldeten Lohn aufzuwendende Beitrag muss mindestens 240 EUR im Kalenderjahr betragen. Der der Zuschuss (Förderbetrag) beläuft sich auf maximal 288 EUR p. a. Daraus ergibt sich ein geförderter Höchstbeitrag von 960 EUR p. a. (30 % von 960 EUR = 288 EUR).
Die Abwicklung der Förderung ist für den Arbeitgeber verwaltungsarm geregelt: Der Arbeitgeber entnimmt für jeden begünstigten Arbeitnehmer mit einem ersten Dienstverhältnis vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer den Geringverdienerförderbetrag. Im Ergebnis wendet der Arbeitgeber nur den verbleibenden Differenzbetrag aus Versicherungsbeitrag abzüglich Geringverdienerförderbetrag für die bAV seines Arbeitnehmers auf. Dieser Differenzbetrag ist für den Arbeitgeber ergebniswirksam (Betriebsausgabe).
Sollte der Geringverdienerförderbetrag die abzuführende Lohnsteuer übersteigen, so kommt es mit der Lohnsteueranmeldung zu einer Lohnsteuererstattung durch das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers.
Um ein Maximum an Planungssicherheit und geringen Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber zu gewährleisten, ist die Rückzahlung eines dem Grunde nach rechtmäßig erhaltenen Geringverdienerförderbetrags nur in dem Fall nötig, in dem die Anwartschaft auf eine bAV für den Arbeitnehmer verfällt und eine Rückzahlung von Guthaben (Rückkaufswert) vom Versorgungsträger an den Arbeitgeber erfolgt. Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Rückgewähr des Geringverdienerförderbetrags besteht aber nur insoweit, wie das erstattete Guthaben die für den betreffenden Arbeit-nehmer erhaltenen Geringverdienerförderbeträge erreicht. Hiermit wird unter anderem dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass bei der Absicherung der biometrischen Risiken Tod und Invalidität der dem Arbeitgeber zufließende Rückkaufswert um die zur Risikoabsicherung verbrauchten Risikobeiträge gemindert ist.
Eine etwaige Rückerstattung des Geringverdienerförderbetrags erfolgt auf dem gleichen Weg wie die Gutschrift desselben: Im Lohnzahlungszeitraum, in dem dem Arbeitgeber das Guthaben zufließt, ist die an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführende Lohnsteuer um den Rückzahlungsbetrag zu erhöhen.
2.2 Geförderter Personenkreis
Zum geförderten Personenkreis gehören alle Arbeitnehmer im Sinne von § 1 LStDV unabhängig von der Frage, ob sie in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind. Somit kommt der Geringverdienerförderbetrag auch für Versicherte in berufsständischen Versorgungswerken oder für geringfügig Beschäftigte in Betracht.
Der Arbeitnehmer, für den der Geringverdienerförderbetrag beansprucht werden soll, muss Arbeitslohn beziehen, der im Lohnzahlungszeitraum dem Grunde nach dem Lohnsteuerabzug in Deutschland unterliegt.
Der bAV-Förderbetrag setzt ein erstes Dienstverhältnis (Steuerklassen I bis V) bei dem Arbeitgeber voraus, der die Zusage auf bAV erteilt und den Geringverdienerförderbetrag beanspruchen will. Diese Anforderung ist auch bei einem weiterbestehenden Dienstverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitslohn erfüllt (z. B. während der Elternzeit, der Pflegezeit, des Bezugs von Krankengeld).
Sollte der Arbeitnehmer im Laufe eines Jahres den Arbeitgeber wechseln, kann nacheinander jeder Arbeitgeber den Geringverdienerförderbetrag im ersten Dienstverhältnis jeweils bis zum Höchstbetrag ausschöpfen.
Weiterhin ist Bedingung für die Gewährung des Geringverdienerförderbetrags, dass die in § 100 Abs. 3 Nr. 3 EStG definierten Verdienstgrenzen nicht überschritten werden. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn der laufende steuerpflichtige Arbeitslohn im Zeitpunkt der Beitragsleistung 2.575 EUR monatlich nicht übersteigt. Bei abweichenden Lohnzahlungszeiträumen beträgt die Grenze 85,84 EUR bei täglicher, 600,84 EUR bei wöchentlicher und 30.900 EUR bei jährlicher Lohnzahlung. Maßgebend ist dabei der laufende Arbeitslohn des Arbeitnehmers im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum, der Grundlage für die Lohnsteuerberechnung (§ 39b Abs. 2 Satz 1 EStG) ist.
Hinweis
Keine Dynamisierung der Einkommensgrenzen
Leider hat sich der Gesetzgeber nicht dazu durchgerungen, die Einkommensgrenzen dynamisch zu gestalten. So besteht das Risiko, dass Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt der Zusageerteilung (knapp) unter den maßgeblichen Einkommensgrenzen für Geringverdiener liegen, diese im Zeitablauf überschreiten werden. Dazu bedarf es keiner außerordentlicher Gehaltserhöhungen, wie sie z. B. mit der Erhöhung der Arbeitszeit oder Karrieresprüngen einhergehen. Allein tarifliche Lohnanpassungen mit dem Ziel des Inflationsausgleichs können ausreichen, die starren Lohngrenzen zu überschreiten und die Förderung in der Folge auszuschließen.
Maßgeblich für die Prüfung der Voraussetzungen des Geringverdienerförderbetrags sind nur die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beitragsleistung (§ 100 Abs. 4 Satz 1 EStG). Aus diesem Grund und aus Administrationsgründen sollte die Beitragszahlung daher sinnvoller Weise jährlich erfolgen und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem die maßgeblichen Grenzen für den laufenden Arbeitslohn regelmäßig unterschritten werden.
2.3 Geförderte Zusage auf bAV
Der Geringverdienerförderbetrag kann nur für Beiträge beansprucht werden, die zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber für eine kapitalgedeckte Zusage auf bAV über eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds aufgewendet werden. Die Beanspruchung des Geringverdienerförderbetrags ist in den Durchführungswegen Pensionszusage (Direktzusage, unmittelbare Versorgungszusage) und Unterstützungskasse somit ausgeschlossen.
Nach § 100 Abs. 3 Nr. 4 EStG setzt die Förderung mittels Geringverdienerförderbetrag zudem voraus, dass die Auszahlung der für das Erreichen der Altersgrenze, bei Tod oder Invalidität zugesagten Versorgungsleistungen in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplans vorgesehen sein muss.
Allein die Möglichkeit, anstelle lebenslanger Altersversorgungsleistungen eine Kapitalauszahlung zu wählen, steht der Förderung nach § 100 EStG jedoch nicht entgegen. Wird die Einmalkapitalauszahlung gewählt, so sind von diesem Zeitpunkt an die Voraussetzungen des § 100 EStG nicht mehr erfüllt, so dass die Förderung entfällt und weitere Beiträge ab diesem Zeitpunkt zu besteuern sind. Wie bei der Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG gilt aber auch hier: Erfolgt die Ausübung des Wahlrechtes innerhalb des letzten Jahres vor dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, so können die Beitragsleistungen weiterhin nach § 100 EStG gefördert werden.
Eine weitere für die Praxis sehr wichtige Regelung enthält § 100 Abs. 3 Nr. 5 EStG. Hiernach kommt die steuerliche Förderung nur in Betracht, wenn sichergestellt ist, dass die Abschluss- und Vertriebskosten des Direktversicherungs-, Pensionskassen- oder Pensionsfondsvertrages nur als fester Anteil der laufenden Beiträge einbehalten werden. Im Umkehrschluss heißt dies, dass die Zillmerung der genannten Kosten, d.h. deren Verrechnung mit den ersten Beiträgen, förderschädlich ist.
Ungezillmerter Tarif
Den Nachweis hat der Arbeitgeber zu erbringen
Den Nachweis, dass der Vertrag die inhaltlichen und versicherungstechnischen Voraussetzungen für eine Förderung gem. § 100 EStG erfüllt, muss der Arbeitgeber erbringen. Mit der Einführung entsprechender Produkte haben zahlreiche Anbieter ihre Vertragsunterlagen um den Hinweis ergänzt, dass die Verträge die Voraussetzungen nach § 100 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 5 EStG erfüllen und somit zur Beanspruchung des Geringverdienerförderbetrags geeignet sind.
Wie bereits dargestellt, beträgt der jährliche Mindestbeitrag des Arbeitgebers 240 EUR. Wird dieser nicht erreicht, scheidet die Anwendung von § 100 EStG aus und der Geringverdienerförderbetrag kann nicht beansprucht werden.
Wird der jährliche Mindestbeitrag von 240 EUR aus Gründen nicht erreicht, die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Geringverdienerförderbetrags nicht absehbar waren, muss der Förderbetrag nicht erstattet werden. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet, bevor der Mindestbeitrag erreicht worden ist.
Wie bereits dargelegt, werden nur zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gezahlte Arbeitgeber-Beiträge zur bAV gefördert. Für Beiträge aus einer Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers kann der Geringverdienerförderbetrag also nicht beansprucht werden. Dies gilt auch für die Umwandlung vermögenswirksamer Leistungen (VWL) in Beiträge zu einer bAV. Ferner nicht begünstigt sind Zuschüsse des Arbeitgebers im Sinne der §§ 1a Abs. 1a und 23 Abs. 2 BetrAVG, die er als Ausgleich für die ersparten Sozialversicherungsbeiträge infolge einer Entgeltumwandlung erbringt. Auch Sicherungsbeiträge des Arbeitgebers im Sinne von § 23 Abs. 1 BetrAVG für eine Beitragszusage, die dem einzelnen Arbeitnehmer unmittelbar gutgeschrieben oder zugerechnet werden, sind nicht begünstigt (siehe unten).
2.4 Umgang mit Bestandsverträgen – Vermeidung von Mitnahmeeffekten
Um Mitnahmeeffekte für bestehende bAV zu vermeiden, werden nur Neu-Zusagen, die ab dem 01.01.2017 erteilt werden und die Erhöhung bestehender Zusagen ab diesem Zeitpunkt, mit dem Inkrafttreten des BRSG gefördert (§ 100 Abs. 2 Satz 2 EStG). Im Falle der Erhöhung von bestehenden Zusagen ist der Geringverdienerförderbetrag auf den Erhöhungsbeitrag beschränkt (Achtung: Auch hier gilt das Zillmerverbot!).
3 Weitere rechtliche Regelungen und Aspekte
3.1 Steuerrecht
§ 100 EStG regelt nicht nur die Höhe des Geringverdienerförderbetrags und die maßgeblichen Lohngrenzen, sondern auch die steuerliche Behandlung der Beiträge beim Arbeitnehmer. Beiträge für den Arbeitnehmer sind gem. § 100 Abs. 6 EStG bis zur Höhe von 960 EUR im Jahr steuerfrei. Insoweit wird der steuerfreie Dotierungsrahmen nach § 3 Nr. 63 EStG in Höhe von 8 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) durch Arbeitgeberbeiträge nach § 100 EStG nicht gemindert. Übersteigt der Arbeitgeberbeitrag 960 EUR im Jahr, kommt für den übersteigenden Beitragsteil die Steuerfreiheit der Beiträge nach § 3 Nr. 63 EStG in Betracht.
Unterschreitet der Arbeitgeberbeitrag den Mindestbeitrag von 240 EUR pro Jahr, so ist § 100 EStG nicht mehr anwendbar. Dies hat zum einen zur Konsequenz, dass der Arbeitgeber keinen Geringverdienerförderbetrag beanspruchen kann, zum anderen aber auch, dass die Steuerfreiheit des Beitrags nach § 100 Abs. 6 EStG für den Arbeitnehmer nicht mehr gegeben ist. Die Beitragszahlungen könnten in diesem Fall im Rahmen von § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt werden.
Auch im Falle des Überschreitens der maßgeblichen Lohngrenzen kommt die Anwendung von § 100 EStG nicht in Betracht, somit auch die Steuerfreiheit gem. Absatz 6 nicht. Auch in diesem Fall könnte § 3 Nr. 63 EStG genutzt werden.
Die korrekte Erfassung und Meldung der steuerlichen Behandlung der Beiträge obliegt dem Arbeitgeber. Die diesbezüglichen Dokumentations- und Meldepflichten ergeben sich aus den §§ 4 und 5 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV).
Riester funktioniert hier nicht
Keine doppelte Förderung
Gerade für Geringverdiener ist die Riester-Förderung regelmäßig sehr attraktiv. Zu beachten ist jedoch die Anforderung, dass die Beiträge zu einer Riester-Versorgung stets aus individuell versteuertem und verbeitragtem Einkommen aufgebracht werden müssen. Dies ist im Anwendungsbereich des § 100 EStG jedoch nicht der Fall: Weil die Beiträge für den Arbeitnehmer im Rahmen von § 100 Abs. 6 EStG steuerfrei und nach § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV sozialversicherungsfrei sind, kommt eine (zusätzliche) Riester–Förderung für die vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer „geschenkten“ Beiträge nicht in Betracht. Zur Nutzung der Riester-Förderung durch den Arbeitnehmer würde sich eine zusätzliche Umwandlung aus dem (Netto-)Entgelt des Arbeitnehmers oder ein privater Riester-Vertrag anbieten.
Versorgungsleistungen aus nach § 100 EStG geförderten Versorgungszusagen unterliegen im Zeitpunkt des Zuflusses beim Begünstigten in voller Höhe als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG der nachgelagerten Besteuerung.
3.2 Arbeitsrecht
Im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) ist keine Regelung zum Geringverdienerförderbetrag zu finden. Es gelten die „ganz normalen“ Regelungen des BetrAVG für arbeitgeberfinanzierte Versorgungen in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Dies betrifft auch die Unverfallbarkeitsfrist gem. § 1b Abs. 1 BetrAVG, wonach eine arbeitgeberfinanzierte bAV erst unverfallbar ist, wenn der Versorgungsberechtigte das 21. Lebensjahr vollendet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt drei Jahre bestanden hat.
Im Kontext der Geringverdienerförderung stellen sich dennoch arbeitsrechtliche Fragen: allen voran die Frage, ob der Arbeitgeber eine von ihm finanzierte bAV auf Arbeitnehmer beschränken kann, die die Voraussetzungen für den Erhalt des Geringverdienerförderbetrags erfüllen.
3.2.1 Ist eine Beschränkung auf Geringverdiener möglich?
Mit der Einführung des § 100 EStG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, auch Geringverdiener verstärkt in den Genuss einer arbeitgeberfinanzierten bAV kommen zu lassen. Mit der Definition des Geringverdieners in § 100 EStG hat der Gesetzgeber einen objektiv umschriebenen Personenkreis geschaffen, der es nach Auffassung des Autors zulässt, eine arbeitgeberfinanzierte bAV allein auf diese Personengruppe zu beschränken. Konkret heißt das, dass es aus arbeitsrechtlicher Sicht zulässig erscheint, nur Geringverdienern eine arbeitgeberfinanzierte bAV zukommen zu lassen, nicht aber Mitarbeitern, deren Einkommen die einschlägigen Einkommensgrenzen nach § 100 EStG übersteigen.
Schwierig wird es in dem Fall, wenn ein Arbeitnehmer, der zunächst Geringverdiener i.S.v. § 100 EStG war und eine arbeitgeberfinanzierte bAV erhalten hat, in Folge einer Gehaltssteigerung den Geringverdienerbereich verlässt. Hat der Arbeitgeber bisher nur den Geringverdienern eine bAV zukommen lassen, müsste er den Versorgungsvertrag für den besagten Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Überschreitens der Geringverdiener-Einkommensgrenzen beitragsfrei stellen. Andernfalls liefe er Gefahr, in Folge eines Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz von anderen Mitarbeitern, die nicht Geringverdiener sind oder waren, auf Erteilung einer entsprechenden arbeitgeberfinanzierten Versorgungszusage in Anspruch genommen zu werden.
Weil die in § 100 EStG genannten Einkommensgrenzen leider nicht dynamisch sind, die Arbeitseinkommen aber üblicher Weise im Zeitverlauf erhöht werden, ist es – auch außerhalb von Konstellationen wie z. B. Karrieresprüngen oder einem Wechsel von Teil- auf Vollzeittätigkeit – möglich, dass Mitarbeiter den förderfähigen Bereich verlassen. Umgekehrt fallen Mitarbeiter ggf. in den förderfähigen Bereich, wenn sich das Einkommen entsprechend verringert, beispielsweise bei Reduktion der Arbeitszeit.
Aus diesem Grund empfiehlt es sich, allen Mitarbeitern – unabhängig von der Frage, ob sie Geringverdiener sind oder nicht – eine AG-finanzierte Versorgungszusage mittels Direktversicherung zu erteilen. Dabei kann der Dotierungsrahmen bei Personen, deren Beitrag nicht über den Geringverdienerförderbetrag teilweise gegenfinanziert wird, nach Auffassung des Autors durchaus auch entsprechend niedriger angesetzt werden.
3.2.2 § 100 EStG-Zusage an Entgeltumwandlung knüpfen?
Grundsätzlich sollte ein Beitrag zur Geringverdienerförderung nach Sinn und Zweck von der Entgeltumwandlung unabhängig gewährt werden. Intention des Gesetzes ist es, Geringverdiener zu fördern, die aufgrund ihres geringen Gehalts keine Entgeltumwandlung aus eigener Kraft betreiben können. Würde der Arbeitgeberbeitrag an eine verpflichtende Entgeltumwandlung anknüpfen, würde dies dem Grundgedanken der Geringverdienerförderung ggf. widersprechen. Der Wortlaut des Gesetzes verbietet die Verbindung des Arbeitgeberbeitrags mit einer Entgeltumwandlung nicht ausdrücklich. Mit dem BMF-Schreiben vom 8. August 2019 zur wahlweisen Verwendung vermögenswirksamer Leistungen (VWL) zum Zwecke der bAV hat sich die Finanzverwaltung in Bezug auf die Umwandlung von VWL restriktiv geäußert. Danach sind nicht nur die „umgewandelten VWL“, sondern auch etwaige vom Arbeitgeber gewährte Erhöhungsbeträge nicht förderfähig nach § 100 EStG (wohl aber nach § 3 Nr. 63 EStG). Nicht förderfähig sind im Kontext der VWL-Umwandlung zudem auch solche Erhöhungsbeträge, die der Arbeitgeber von einer zusätzlichen Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers abhängig macht.
Mit Schreiben vom 18. März 2022 (IV C 5 -S 2333/19/10008 :026 DOK 2022/0267641), das das BMF-Schreiben vom 12.08.2021 ändert, hat das BMF jedoch klargestellt, dass bei („freiwilligen“) Matching-Modellen der Arbeitgeberbeitrag "zusätzlich" zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gezahlt wird und damit grundsätzlich nach § 100 EStG förderfähig ist. Dies gilt allerdings nicht für Leistungen des Arbeitgebers, die dieser als Ausgleich für ersparte Sozialversicherungsbeiträge infolge einer Entgeltumwandlung erbringt („15-%-Zuschuss“). Bei den sog. „freiwilligen“ Matching-Modellen bemisst sich die Höhe der Arbeitgeberbeiträge (Erhöhungsbeträge) typischerweise nach der Höhe der Arbeitnehmerbeiträge durch originäre Entgeltumwandlung.
3.3 Sozialversicherung und soziale Sicherung3.3.1 Kranken- und Pflegeversicherung
Beiträge im Sinne des § 100 EStG sind in den Grenzen des § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV nicht dem sozialversicherungspflichtigen Entgelt zuzurechnen. Damit unterliegt der Beitragsaufwand des Arbeitgebers nicht der Verbeitragung in den Zweigen der Sozialversicherung. Anders als im Steuerrecht kommt es hier jedoch zu einer „Kannibalisierung“ durch die verschiedenen Förderwege der bAV. Der sozialversicherungsfreie Höchstbetrag beträgt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV 4 % der BBG. Hierunter fallen jedoch alle steuerfreien Beiträge des Arbeitgebers nach §§ 3 Nr. 63 Satz 1 und 2 sowie 100 Abs. 6 EStG; dies gilt auch für darin enthaltene Beiträge aus Entgeltumwandlung (nicht aber nach § 40b EStG lohnsteuerpauschalierte Beiträge). Sollte ein Geringverdiener also z.B. bereits eine Entgeltumwandlung nach § 3 Nr. 63 EStG in Höhe von 4 % der BBG vornehmen – wobei dies bei Geringverdienern eher die Ausnahme sein dürfte – würde eine zusätzliche arbeitgeberfinanzierte bAV nach § 100 EStG die Entgeltumwandlung insoweit verdrängen. Im Ergebnis würde damit ein Teil des Entgeltumwandlungsbetrages sozialversicherungspflichtig.
Wie alle Leistungen der bAV unterliegen auch die Versorgungsleistungen aus nach § 100 EStG geförderten Zusagen bei gesetzlich krankenversicherten Rentnern der Verbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner (KVdR). Hier ist allerdings die Freigrenze nach § 226 Abs. 2 SGB V zu beachten. Danach sind bei in der KVdR Pflichtversicherten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge nur zu entrichten, wenn die Betriebsrente ein Zwanzigstel der monatlichen Bezugsgröße (2022: 164,50 EUR) übersteigt. In der Krankversicherung gilt zudem für Pflichtversicherte ein Freibetrag in gleicher Höhe. In Anbetracht der eher geringen Beiträge und der Dynamisierung der Freigrenze entsprechend der monatlichen Bezugsgröße dürfte dieser Wert oft nicht erreicht werden, so dass die Versorgungsleistungen häufig beitragsfrei in der KVdR bleiben werden.
3.3.2 Grundsicherung – Freibetrag macht bAV noch attraktiver
Für Leistungsempfänger der Grundsicherung existiert seit Inkrafttreten des BRSG ein Sockelfreibetrag und ein erweiterter Freibetrag für Einkommen aus freiwilliger zusätzlicher Altersvorsorge, § 82 Abs. 4 SGB XII. Der Sockelfreibetrag beträgt 100 Euro im Monat. Der erweiterte Freibeitrag errechnet sich aus 30 % des Betrags der zusätzlichen Altersversorgung über 100 Euro hinaus, insgesamt max. 50 % des Regelbedarfs gemäß Stufe 1. Auf Basis der Werte für 2022 ist das ein Betrag von max. 224,50 EUR pro Monat. Mit dieser Neuerung ist Altersvorsorge im Allgemeinen und die bAV im Besonderen auch für (künftige) Bezieher von Leistungen der Grundsicherung sinnvoll geworden.
4. Weitere Aspekte
Für den Arbeitgeber ist der Geringverdienerförderbetrag grundsätzlich attraktiv, bekommt er doch 30 % seines Beitragsaufwands unmittelbar erstattet. Andererseits muss er (vor Steuern) weiterhin 70 % des Beitrags selbst tragen. Gerade in Branchen, in denen die Personalkosten mit besonders spitzem Bleistift kalkuliert werden müssen, könnten diese 70 % aber noch zu viel sein. Sie könnten über die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens mitentscheiden.
Dennoch ist auch im Bereich des Niedriglohnsegments ein zunehmender Mangel an Arbeitskräften zu verzeichnen. Insofern können Arbeitgeber den Spielraum des § 100 EStG nutzen, um mit überschaubarem Aufwand durch eine arbeitgeberfinanzierte bAV die Attraktivität des Unternehmens für neue Mitarbeiter zu erhöhen bzw. vorhandene Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden.
„Man kann den Euro nur einmal ausgegeben!“ – das gilt auch für Arbeitgeber. In Tarifverhandlungen wird üblicher Weise um die Verteilung eines mehr oder minder festgelegten Budgets gerungen, das insgesamt für Lohnanpassungen, Arbeitszeitanpassungen, Sozialleistungen u. s. w. zur Verfügung steht. In der Vergangenheit erfolgte in Branchen mit eher niedrigen Einkommen die Budgetverwendung schwerpunktmäßig für Lohnerhöhungen. Insbesondere auf Gewerkschaftsseite könnte es in Zukunft aber zu einem zumindest teilweisen Umdenken kommen, da sich auch Gewerkschafter verstärkt mit der Notwendigkeit ergänzender Vorsorge der Arbeitnehmer befassen. Daher ist es möglich, dass künftig verstärkt Tarifverträge ausgehandelt werden, die die Einrichtung einer bAV unter Nutzung des Geringverdienerförderbetrags vorsehen.
5. Fazit
Unstrittig besteht für breite Bevölkerungsschichten und dabei insbesondere für die Gruppe der sog. Geringverdiener erheblicher Vorsorgebedarf, um das absehbar niedrige Versorgungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung aufzustocken. Auch wenn man die Regelungen des § 100 EStG sicherlich noch optimieren könnte, z. B. durch eine Erhöhung des Zuschusses und vor allem mit einer Dynamisierung der Einkommensgrenzen, ist diese Norm doch ein Schritt in die richtige Richtung. Zusammen mit dem Freibetrag für ergänzende Altersvorsorge bei der Grundsicherung im Alter stellt er in der Tat ein Instrument dar, mit dem die Hoffnung auf eine Ausweitung der bAV auf Geringverdiener verbunden werden darf.
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[1] Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge 2015; Forschungsbericht 476; Seite 28
[2] a.a.O., Seite 29
Geben und Nehmen im Sozialstaat