Marco Westermann - 31 Aug 2022

Eine Direktversicherung ohne oder mit nur minimaler Garantie für beherrschende GGF – geht das?

  • Beitragsgarantien kosten Renditechancen; die Absenkung des Garantieniveaus steigert daher grundsätzlich die Renditechancen

  • Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbH (bGGF) unterliegen nicht dem Schutz des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG)

  • Was bAV ist und was eine Direktversicherung, definiert das BetrAVG dennoch auch für bGGF

Es hat sich längst herumgesprochen: Harte Beitragsgarantien, wie sie zum Beispiel bei Riesterverträgen oder auch der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in der betrieblichen Altersversorgung bAV vorgeschrieben sind, kosten im seit Jahren herrschenden Niedrigzinsumfeld massiv Renditechancen. Der Grund: Weil der Versorgungsträger garantieren muss, dass zum planmäßigen Rentenbeginn mindestens die Summe der während der Laufzeit eingezahlten Beiträge (abzüglich etwaiger Risikobeiträge zur Absicherung des Todes- und/oder Invaliditätsrisikos) zur Verfügung steht, können die Beiträge nur in sehr sichere Kapitalanlagen investiert werden. Solche Anlagen werfen aber nahezu keine Verzinsung ab. Schließlich stehen zum Rentenbeginn dann zwar die eingezahlten Beiträge zur Verrentung zur Verfügung – allerdings auch kaum ein Cent mehr. Sprich: Die Rendite des Vertrages tendiert gegen null und ein Ausgleich der Inflation während der Anspardauer ist nicht einmal im Ansatz gegeben. Unter Berücksichtigung der realen Kaufkraft ist so ein Garantieprodukt daher sogar ein Verlustgeschäft. Wer sich mit diesem Thema näher befassen möchte, dem sei die ausführliche Studie des Instituts für Aktuarwissenschaften der Universität Ulm empfohlen, die hier heruntergeladen werden kann.

Aufgrund der geschilderten Problematik ist die Bedeutung der BZML bei der Erteilung von Neuzusagen in der bAV seit Jahren rückläufig. Stattdessen werden überwiegend beitragsorientierte Leistungszusagen (boLZ) erteilt, bei denen nach herrschender Meinung keine vollständige Bruttobeitragsgarantie erforderlich ist. Der Denkansatz liegt auf der Hand: je weniger Garantie, umso höher die Renditeaussichten, desto besser für den Kunden.

Damit es sich um eine boLZ handelt, muss die Zusage aber ein gewisses Garantieniveau beinhalten. Nach unserer Auffassung ist dies bei einem Garantieniveau von mindestens 80 % der gezahlten Beiträge derzeit gewährleistet. Im Markt gibt es auch Stimmen, die niedrigere Garantieniveaus – bis zu mind. 50 % ­– für noch ausreichend erachten, um die Zusage als boLZ einzuordnen. Wenngleich weder gesetzlich klar geregelt noch höchstrichterlich bis jetzt entschieden ist, welches Garantieniveau eine bAV-Zusage mindestens aufweisen muss, um als boLZ anerkannt zu werden, so hat doch das BAG bereits entschieden, dass es ein solches Mindestniveau bei der boLZ geben muss[1].

Nun wird verschiedentlich argumentiert, dass dies für bGGF nicht erforderlich sei, weil diese nicht in den Schutzbereich des BetrAVG fallen. Daher könne für einen bGGF auch eine Direktversicherung abgeschlossen und nach § 3 Nr. 63 EStG steuerlich gefördert werden, wenn der Versicherungstarif und die auf diesen abstellende arbeitsrechtliche Zusage keine oder eine nur minimale Garantie vorsehen.

Diese Argumentation halten wir aus folgenden Gründen für kritisch:

§3 Nr. 63 EStG fördert den „Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung“ in den Durchführungswegen Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds.

Was bAV ist, regelt § 1 BetrAVG. Neben der Absicherung mindestens eines der dort genannten biometrischen Risiken muss es sich um eine Leistungszusage, eine boLZ, eine BZML (nur in Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds möglich), eine reine Beitragszusage (nur in Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds möglich), eine wertgleiche Entgeltumwandlung oder um eine Umfassungszusage (nur in Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds möglich) handeln.

Was eine Direktversicherung ist, ist ebenfalls im BetrAVG definiert. Dabei wird nach § 1b Abs. 2 BetrAVG für die bAV (!) vom Arbeitgeber eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers abgeschlossen, bei der der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind.

Handelt es sich bei der Zusage aber nicht um bAV, weil die Voraussetzungen des § 1 BetrAVG nicht erfüllt sind (z. B. weil ein Mindestgarantieniveau nicht erreicht wird), kommt eine Förderung der Versicherungsbeiträge nach § 3 Nr. 63 EStG nicht in Betracht, weil dieser explizit den Aufbau einer (kapitalgedeckten) bAV fordert (BMF-Schreiben vom 12.08.2021, Rz. 25 zu § 3 Nr. 63 EStG mit explizitem Verweis auf Rz. 1).

Zwar fallen bGGF nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des BetrAVG, doch gelten die Legaldefinitionen für bAV und Direktversicherung aus dem BetrAVG, die das Steuerrecht aufgreift, losgelöst von der Frage, ob der Begünstige in den persönlichen Anwendungsbereich des BetrAVG als Arbeitnehmer-Schutzgesetz fällt oder nicht. So bezieht sich das BMF-Schreiben vom 12.08.2021 in seiner Randziffer 1 ausdrücklich auf § 1 BetrAVG: „Betriebliche Altersversorgung liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber Leistungen oder Beiträge zur Absicherung mindestens eines biometrischen Risikos (Alter, Tod, Invalidität) zugesagt werden und Ansprüche auf diese Leistungen erst mit dem Eintritt des biologischen Ereignisses fällig werden (§ 1 des Betriebsrentengesetzes - BetrAVG -).“ Gleichwohl gehören auch bGGF zum begünstigten Personenkreis nach § 3 Nr. 63 EStG (BMF-Schreiben vom 12.08.2021, Rz. 23)

Explizit erwähnt wird die beitragsorientierte Leistungszusage in Randziffer 27: „Für die Anwendung des § 3 Nr. 63 EStG ist nicht Voraussetzung, dass sich die Höhe der zugesagten Versorgungsleistung an der Höhe des eingezahlten Beitrags des Arbeitgebers orientiert, da der Arbeitgeber nach § 1 BetrAVG nicht nur eine reine Beitragszusage, eine Beitragszusage mit Mindestleistung oder eine beitragsorientierte Leistungszusage, sondern auch eine Leistungszusage erteilen kann.“ Hieran zeigt sich ebenfalls, dass nur die in § 1 BetrAVG geregelten gesetzlichen Zusagearten nach Auffassung der Finanzverwaltung steuerlich gefördert werden.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Abschluss einer „Direktversicherung“, die nicht die Anforderungen an eine bAV i.S.d. BetrAVG erfüllt, weil sie z.B. ein arbeitsrechtlich erforderliches Garantieniveau nicht erreicht, auch für bGGF nicht als bAV beurteilt werden könnte und wegen des Grundsatzes „Steuerrecht folgt Arbeitsrecht“ mithin eine steuerliche Förderung nach § 3 Nr. 63 EStG versagt würde.

Aus diesem Grunde empfiehlt es sich aus unserer Sicht dringend, auch bei bGGF darauf zu achten, dass die Direktversicherung und die Zusage die Voraussetzungen an eine der im BetrAVG genannten Zusagearten erfüllt.

Übrigens: Das schon eingangs erwähne Institut für Aktuarwissenschaften (IFA) kommt in seiner Studie auch zu dem Schluss, dass der Verzicht auf Garantien nicht mit einem proportionalen Zuwachs an Renditechancen einhergeht. Vielmehr heißt es dort:

„(…) Bemerkenswert ist hierbei jedoch, dass (ausgehend vom höchsten betrachteten Garantieniveau) ein Absenken der Garantie zunächst sehr viel und dann nach und nach immer weniger zusätzliche reale Renditechancen bewirkt, wogegen das reale Risiko nach und nach immer stärker zunimmt, zumindest wenn eine eher hohe Volatilität der Aktienmärkte unterstellt wird. (…)“[2]

Demnach ist es auch aus finanzmathematischer Sicht mitnichten ratsam, jegliche Garantien auszuschließen, wenn man das Ziel hat, das Rendite-Risiko-Verhältnis zu optimieren. Folglich findet sich in besagter Studie daher die Empfehlung:

Bis zu einem Garantieniveau von ca. 70% der gezahlten Beiträge steigt beim dynamischen Hybridprodukt und beim I-CPPI-Produkt dabei die reale Chance deutlich stärker an als das reale Risiko. Bei einer weiteren Absenkung steigt dann das Risiko ähnlich stark oder sogar stärker als die Chance. Auch wenn die konkreten Zahlenwerte von der angenommenen Volatilität und dem betrachteten Risikomaß abhängen, zeigt dies, dass bei einer eher hohen Volatilität der Nutzen von wohldosierten Garantien relativ hoch ist. Da man bei langfristigen Sparprozessen nicht wissen kann, wie hoch die Volatilität während der Laufzeit sein wird, sollten Garantien für sicherheitsorientierte Verbraucher demnach nicht zu weit abgesenkt werden.“[3]

Sie möchten in Ihrem Unternehmen eine bAV einrichten oder ein vorhandenes Versorgungswerk anpassen? Unsere Experten stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot für diese und weitere Dienstleistungen.

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[1] BAG vom 30.08.2016 3 AZR 362/15

[2] Graf, Kling, Ruß; Inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse; www.ifa-ulm.de; März 2021; Seite 6

[3] a.a.O.

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